Maria Christine Lubin ist eine österreichische altkatholische Geistliche und gewählte Bischöfin der Altkatholischen Kirche in Österreich. Am 24. Juni wurde sie von Erzbischof Bernd Wallet unter Beteiligung von Bischof Harald Rein und Bischof Dr. Matthias Ring in der Evangelischen Gustav-Adolf-Kirche in Wien zur Bischöfin geweiht. Die Predigt hielt Bischof Harald Rein.
Lesung: Ezechiel 37,1–14
Evangelium: Johannes 20,1 und 11–18
Liebe Festgemeinde
Liebe Schwester im Bischofsamt Maria Kubin
Was ist die Hauptaufgabe der Kirche? Am besten lässt sich das mit folgendem Ruf der Gemeinde in den meisten Eucharistiegebeten zusammenfassen: «Den Tod des Herrn verkünden wir, und seine Auferstehung preisen wir, bis er wieder kommt in Herrlichkeit». Ohne diese Grundüberzeugung macht kirchliches Handeln keinen Sinn. Gerade in der Zeit des heutigen Säkularismus ist dieses Thema aktuell. Viele Menschen können zwar den Kirchen noch viel Gutes abgewinnen, wie zum Beispiel als ethisches Gewissen der Gesellschaft und als Anbieter von Religionsunterricht für die Kinder. Aber mit dem Glauben an ein Weiterleben nach dem Tod und was dieser Glaube für unseren Alltag bedeutet, wird es schwieriger.
Wie gewaltig hört sich da der heutige Lesungstext aus dem Buche Ezechiel an. Im jüdischen Kontext wird diese prophetische Vision als Verheissung für die Erneuerung Israels und für die Heimkehr nach Jerusalem aus dem babylonischen Exil verstanden. In der christlichen Tradition steht der Glaube an die Auferstehung am Jüngsten Tage im Vordergrund. Und so wird dieser Text auch als Lesung in den Ostergottesdiensten gebraucht. Aber eigentlich beinhaltet er beide Auslegungsmöglichkeiten. Denn Auferstehung ist ja nicht nur etwas Einmaliges nach dem Tod oder am Jüngsten Tage, sondern etwas, was auch in unserem Leben, in unserer Biographie immer wieder geschieht, bei Lebenswenden und Aufbrüchen. Und deshalb kann man den Propheten Ezechiel auch als jemanden verstehen, der seine Aussagen auf aktuelle Probleme bezieht, auf Dilemmata hin befragt und Antworten zu geben versucht. Denn die Offenbarung Gottes an uns und die Schwierigkeit die Zeichen der Zeit im Heilsplan Gottes richtig zu erkennen und zu deuten, ist ein laufender Prozess und bis zum Ende der Welt nicht abgeschlossen. Und deshalb ist eine Kernaussage von Ezechiel, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.
Und dies genau ist in der Ostergeschichte bei Johannes 20 vom heutigen Evangelium ebenso zentral. Sie lässt Missverständnisse zu. Sie gibt dem Suchen und Zweifeln von uns Menschen Raum. Drei Anläufe braucht Maria Magdalena um zu verstehen, dass sich ihr der auferstandene Christus offenbart. Sie hält ihn sogar für den Gärtner. Vier Mal erwähnt der Evangelist Johannes, dass Maria Magdalena weint. Doch gerade ihr überträgt der Auferstandene die Aufgabe, die Nachricht seiner Auferstehung zu verkündigen. Sie tut dies mit den Worten: «Ich habe Jesus den Lebendigen gesehen». Diese Begegnung am Grab zeichnet Maria Magdalena nicht nur als Zeugin und Verkünderin dieses wundervollen Geschehens aus, sondern de facto auch als Apostelin. Über Jahrhunderte hinweg wurde die Bedeutung dieser Geschichte durch eine einseitige Rezeptionsgeschichte verkannt.
Historisch gesehen sind Petrus und Maria Magdalena die beiden Hauptführungspersönlichkeiten der Jesusbewegung gewesen und nicht der Spätzünder Paulus. Sowohl der Kirchenlehrer Augustinus als auch Thomas von Aquin haben Maria Magdalena als die Apostelin der Apostel bezeichnet. Sie war die erste Augenzeugin der Auferstehung. Und sie hatte als erste den Auftrag, das weiterzusagen. Sie ist das Bindeglied zwischen der Karfreitagsbestürzung und dem Osterjubel. Deshalb hat übrigens auch Papst Franziskus am 3. Juni 2016 mit einem Dekret verordnet, dass ab sofort das Gedenken von Maria Magdalena im römisch-katholisch liturgischen Kalender mit der gleichen Feierlichkeit zu begehen ist wie ein Apostelfest.
Aber nun zurück zu den biblischen Texten. Der Auferstehungsbericht beim Evangelisten Johannes sagt uns wie die Vision von Ezechiel: Gott ist bei uns, alle Tage bis ans Ende der Welt. Das gibt uns immer wieder die Chance neu zu beginnen und die Zukunft mit Gelassenheit zu betrachten. Gott lässt uns nicht im Stich. Dieser Glaube vermag uns, auf unserer spannenden Lebensgeschichte in ihrem Auf und Ab zu begleiten.
Der gewählte Wahlspruch bzw. das Siegelwort von Bischöfin Maria Kubin heisst in Anlehnung an Ezechiel 37 «Sprich als Prophetin». Und in einem ihrer Interviews nach ihrer Wahl hat sie gesagt: «Ich bin überzeugt, dass alle Prophetinnen und Propheten sind und dass wir es gemeinsam schaffen können, einen gemeinsamen Weg zu finden.» Das kann auf den ersten Blick irritieren. Denn normalerweise verbinden wir mit einem Bischof oder einer Bischöfin andere Bilder, wie das der Hirtin. Aber es kommt dabei immer darauf an, unter welchem Blickwinkel wir etwas sehen und wahrnehmen können und wollen. Denn es ist so, dass alle Berufungen in der Bibel nach einem ähnlichen Muster geschehen und keinen Unterschied machen im Hinblick auf die besondere Aufgabe. So zum Beispiel die Berufung bzw. das Erwählt sein von Maria, der Mutter Jesu, die Berufung der Propheten wie Jeremia, Jesaja oder Moses oder der Prophetin und Richterin Deborrah.
Als Prophetin besingt die schwangere Maria im Magnifikat das Eingreifen Gottes durch Jesus Christus und die Veränderung dieser Welt zum Guten. Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer sah im Magnifikat ein klares Programm, dass jeden Menschen als das Ebenbild Gottes mit seinen Sorgen und Nöten in den Mittelpunkt stellt, gegen Unrecht und Gewalt, verursacht von politischen und wirtschaftlichen Machthabern. Und in diesem Sinne ist das Christentum auch prophetisch und jeder Christ ein Prophet und jede Christin eine Prophetin. Christen und Christinnen sind Menschen, die wachrütteln. Sie legen die Finger in die Wunden ihrer Zeit. Sie machen darauf aufmerksam, was sich in der Gesellschaft und in der Welt immer wieder neu im Sinne Christi verändern soll, wie z.B. heute aktuell die Bewahrung der Schöpfung, eine gerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen und die Gleichstellung aller Geschlechter; aber natürlich zuerst in der Kirche selbst. Denn die Welt soll sehen, dass es in der Christenheit anders ist und besser funktioniert.
In vielen Kirchen und ihren Synoden nehme ich heute die Grundhaltung wahr: Wir brauchen Reformen und neue Wege, aber wenn möglich weiter so wie bisher, aber mit mehr Mitgliedern. Und genau das funktioniert eben nicht. Der prophetische Aspekt des christlichen Glaubens muss heute wieder mehr Beachtung finden, auch wenn er unbequem ist. Die Kirche ist nicht unsere Kirche, sondern Seine Kirche, die Kirche Gottes und seines Heiligen Geistes. Wir binden die Menschen nicht an uns, sondern versuchen, sie zu ermutigen, dass sie ihren Lebensweg mit dem Vertrauen auf Gott gehen.
Die Kirche hat in ihrer Liturgie bei der Weihe zum bischöflichen Amt, ein Zeichen geschaffen, um dies auszudrücken. Während des Weihegebetes wird über den Kopf der Kandidatin das Evangeliar, das Buch mit Gottes Wort, ausgebreitet. Die Geweihte soll vom Wort Gottes und seinem Heiligen Geist erfüllt sein und danach leben.
Und das wünsche ich heute Maria Kubin mit Gottes Hilfe.
+ Harald Rein
Bischof der Christkatholischen Kirche der Schweiz
und Sekretär der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz IBK