Kirche ist eine Überlieferungsgemeinschaft. Sie entsteht nicht aus dem Nichts, sondern steht in einem Traditionsstrom und schöpft aus der Vergangenheit. Die christkatholische Kirche weiss aber, dass die Überlieferung ihre Brüche hat. Es geht nicht einfach kontinuierlich weiter, sondern es tauchen neue Fragen auf, die neue Antworten erfordern. Und so mancher Weg der Vergangenheit kann sich später als Irrweg erweisen.
5. Jahrhundert
Was überall und nicht nur an einem Ort geglaubt wird.
Was immer geglaubt worden ist.
Was von (fast) allen geglaubt worden ist.
Bei aller Wertschätzung der Tradition: Da die Zeugen der Vergangenheit tot sind, können sie sich keinen neuen Herausfor- derungen stellen. Wir schon – wir müssen es sogar. Dabei können wir nicht nur auf die gängige Meinung hören. Kirchliche Erneue- rung ist oft von einzelnen prophetischen Stimmen angestossen worden.
Die Dogmen von der universalen Macht des Papstes und seiner Unfehlbarkeit in der Lehre sind Neuerungen – davon waren die Alt-Katholiken überzeugt und wählten deshalb in Deutschland und Österreich diesen Namen. Für sie war es die «Pflicht jedes katholi- schen Christen am alten Glauben festzuhalten und jede Neuerung, würde sie auch von einem Engel des Herrn verkündet, abzuweisen».
Wenn wir schon eine eigene Kirche aufbauen, dann ändern wir gleich all das, was uns schon immer nicht gepasst hat – mit dieser Haltung ging die Christkatholische Kirche der Schweiz an Reformen heran:
Darum stand ganz besonders die Schweizer Kirche Ende des 19. Jahrhunderts im Ruf, ein Haufen Revoluzzer zu sein, welche die Tradition über Bord werfen. Die Christkatholik*innen selbst sahen das anders: Viele dieser Reformen waren Rückkehr zum Ursprüng- lichen. Die Tradition war ihr Reformprogramm.
Der Diakonat für Männer und Frauen ist in der Alten Kirche bezeugt. Die christkatholische Kirche hat dieses Amt wiederbelebt; 1984 wurde die erste Christkatholikin zur Diakonin geweiht.
Die Öffnung des Priester- und Bischofsamtes für Frauen benötigte mehr Zeit.
Für die christkatholische Kirche ist dies das beste Argument für die Zulassung von Frauen zum dreifachen apostolischen Amt: Indem Jesus Christus das volle Menschsein angenommen hat, ist in ihm die ganze Menschheit, Mann und Frau, erlöst. Diese Botschaft ist aber unglaubwürdig, wenn das kirchliche Amt den Männern vorbehalten bleibt. Dies war 1999 die zentrale Überlegung, als die christkatholische Kirche die Frauenordination eingeführt hat – Transmenschen, intergeschlechtliche und non-binäre Menschen waren 1999 noch nicht im Blick.
Wir erleben die Spannung zwischen Tradition und Erneuerung live.
Ep 101,32