Lebensbild Rosina Gschwind Portraitbild
(Quelle: Lebensbild der Frau Pfarrer Maria Rosina Gschwind Lenzburg 1905)

Rosina Gschwind-Hofer

(Quelle: Lebensbild der Frau Pfarrer Maria Rosina Gschwind Lenzburg 1905)

Person
Maria Rosina Gschwind-Hofer

Lebensdaten
* 03.02.1841 in Biglen
† 10.05.1904 in Kaiseraugst

Quellen | Literatur
Lebensbild der Frau Pfarrer Maria Rosina Gschwind. Unter Mitwirkung einiger Freundinnen der Verstorbenen verfasst von Pfarrer Gschwind. Lenzburg 1905.

Kochbuch „550 Rezepte von Frau Pfarrer Gschwind“ mit 55 nachgekochten Rezepten und einer Kurzbiographie. Neunte, erweiterte Auflage, Stephan Burkhardt (Hrsg.). Basel 2005.

Erste Pfarrfrau und Ernährungsberaterin

Die Bildung der Frauen war ihr ein zentrales Anliegen. Der damaligen Zeit entsprechend geschah dies im Blick auf die Führung des Haushaltes. Insbesondere setzte sie sich mit Ernährungsfragen auseinander und schulte die Frauen unter anderem mit dem Selbstkocher weiter.

Sie war Mitbegründerin und erste Präsidentin des Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenvereins. Sie setzte sich für den Aufbau von Haushaltungsschulen ein und war in der Prüfungskommission des Haushaltungslehrerinnenseminars in Bern.

Nach ihrem Tode verfasste ihr Mann, Pfarrer Paulin Gschwind ein Lebensbild seiner Frau. Darin wird einerseits deutlich, dass sie in der Ehe mit ihm ein selbstbestimmtes und selbstverantwortetes Leben führte. Andererseits werden sein Wohlwollen und seine Wertschätzung gegenüber seiner verstorbenen Frau spürbar. Im Juni 1904 schreibt Pfarrer Paulin Gschwind an den Synodalausschuss und bittet um ein Rücktrittsgehalt. Als Begründung schreibt er: „Durch den Verlust meiner das ganze Hauswesen in bester Weise ordnenden Frau Pfarrer sehe ich mich genötigt, auf die weitere Führung eines eigenen Hausstandes zu verzichten und da ich auch physisch gebrochen bin, ist mir die Weiterführung des Pfarramtes zur Unmöglichkeit geworden.“

(Quelle: Lebensbild der Frau Pfarrer Maria Rosina Gschwind Lenzburg 1905)

Sich tüchtig machen für seinen Beruf ist weise; ihn mit Liebe & Treue schaffen & üben macht glücklich. R. Gschwind.

Zwei Schülerinnen schildern das Leben im Pfarrhaus

1. Nachruf

„Idyllisch auf hohem Rheinbord, mit herrlicher Aussicht auf Rhein und Schwarzwald, liegt das Pfarrhaus Kaiseraugst. Dort lebte während 15 Jahren Frau Pfr. Gschwind in segensreicher Tätigkeit als treue Hausfrau und Haushaltungslehrerin. Das geräumige Haus bot ihr Gelegenheit, ihre Ideen über Haushaltung, die sie in früheren Jahren in viel besuchten Vorträgen dargelegt hatte, praktisch auszuführen. Ihre Kurse waren bald als vorzügliche bekannt und von überall her kamen junge Mädchen, um sich unter der Leitung der trefflichen Lehrerin in der Haushaltung auszubilden.

„Wir hatten tüchtig zu arbeiten und lernten
die Hausgeschäfte von der Picke auf.“

Wir waren im Frühling (Mai, Juni und Juli 1895) unserer acht Schülerinnen. Jedermann fühlte sich bald heimisch in der Pfarrfamilie, die damals aus Herr und Frau Pfarrer und den beiden jüngern Söhnen bestand. Wir hatten tüchtig zu arbeiten und lernten die Hausgeschäfte von der Picke auf. Frau Pfarrer führte ein ziemlich strenges Hausregiment, aber daneben war auch für Abwechslung aller Art gesorgt, sodass es jedenfalls wenige gab, denen das Leben im Pfarrhaus am Rhein nicht behagte.

Morgen gegen 6 ½ Uhr wurde angetreten. Schon beim Frühstück in dem grossen, gemütlichen Wohnzimmer, wanderten Frau Pfarrers scharfe Augen unter die hochbeinige ‚Kunst‘ und in die verschiedenen Ecken, so dass das jeweilige Zimmermädchen seine ‚Rösti“ wieder mit grösserem Appetit weiter ass, wenn die Inspektion gut abgelaufen. Die Arbeitseinteilung legte Zeugnis ab von dem praktischen Sinn unserer Lehrmeisterin; jede Schülerin wusste stets, was sie zu tun hatte. Beim Kochen waren immer alle anwesend. Gekocht wurde für gewöhnlich einfache, bürgerliche Küche; grossen Wert legte die tüchtige Leiterin auch darauf, dass wir Speiseresten wieder gut und schmackhaft verwenden lernten. Wir bereiteten aber auch allerlei feinere Gerichte, die uns stets trefflich mundeten, und eine ganze Anzahl von Torten, schön glaciert und garniert, eine Kunst, die Frau Pfarrer wie ein gelernter Zuckerbäcker verstand, wurden nach Hause versandt. – Frau Pfarrer machte uns auch auf den einfachen, praktischen Gebrauch der Selbstkocher aufmerksam, von denen ein Susanna Müller‘scher Korb und ein Kocher mit Blechcylinder häufig verwendet wurden. Viele Schülerinnen fertigten sich unter ihrer Leitung ebenfalls Kochkörbe an, die dann zu Hause manch‘ guten Dienst leisteten.

Waschfeste fanden zwei statt – ein gehöriges Stück Arbeit für unsere Lehrerin, wie für uns, aber Feste waren’s doch – Plättestunden alle 8 Tage unter Leitung einer Glätterin.

Im Gemüsegarten erhielten wir von Frau Pfarrer Anweisung im Umgraben, Beete-Einteilen, Säen und Anpflanzen.

Bei solch‘ steter Arbeit verging uns die Zeit rasch. Unsere Lehrerin war streng und gewissenhaft, und verlangte viel von uns. Ihr Lob machte uns glücklich; wenn es zu tadeln gab, so war es uns stets sehr ungemütlich. Aber daneben war sie herzensgut; sie schonte die zartern Schülerinnen, so viel sie konnte, und klagte eine über etwas ernsthafteres, so wurde sie so viel wie möglich von der Arbeit dispensiert. Unsere Pflegemutter verschaffte uns mancherlei Abwechslung; wir machten schöne Sparziergänge und auch grössere Ausflüge zu Fuss und zu Wagen; an heissen Tagen badeten wir im offenen Rhein, angebunden an Seilen, deren Ende die gute Frau Pfarrer im Schweisse ihres Angesichtes festhielt; bei Regenwetter durften wir sogar hie und da abends tanzen etc. Sie freute sich, wenn ihre ‚Töchter‘ recht fröhlich waren; sie selbst war nach der Arbeit gerne zum Scherzen aufgelegt.

Durch dieses stete Zusammenleben und -Schaffen lernten wir Frau Pfarrer erst rechte kennen und schätzen. Wer sie nur oberflächlich kannte, diese tätige, energische Frau, die auch in ihrer äussern Erscheinung und mit ihrer festen Stimme etwas ungemein Imponierendes hatte, der vermutete schwerlich, welch‘ ein weiches, tiefes Gemüt hinter dieser Aussenseite steckte. An den Ihrigen hing sie mit grosser Liebe und verfolgte mit warmen Interesse die Studien ihrer Söhne. Ihren ehemaligen Schülerinnen bewahrte sie ein treues Angedenken; es machte ihr jedesmal Freude, wenn Briefe früherer Pflegetöchter ankamen. Sie selbst blieb mit vielen in Korrespondenz. Wie glücklich schrieb sie als neugebackene Schiegermutter und später als Grossmutter an die Schreiberin dies, und dann später wieder – nachdem sie ihre Kurse aufgegeben hatte – wie sehr sie nun Ruhe und stilles Familienleben geniesse nach all‘ den Jahren voll Arbeit. Ihre grösste Freude waren ihre beiden Enkelkinder.

„Frau Pfarrer war auch eine grosse Musikfreundin.“

Frau Pfarrer war auch eine grosse Musikfreundin; es machte ihr grosses Vergnügen, wenn viel gespielt und gesungen wurde im Pfarrhaus. Es kam sogar vor, dass eine Schülerin aus der Küche ans Klavier kommandiert wurde.

Dass die vielseitige Frau auch ein sehr poetisch angelegtes Gemüt hatte, wussten vielleicht wenige. Sie las uns einst, an einem stillen Sonntag Nachmittag, einige selbstverfasste kleine Novellen und Skizzen vor, die ihr beim Aufräumen alter Papiere zufällig in die Hände gekommen. Diese Erzeugnisse einiger stillen Stunden waren so poetisch, so duftig und zart, dass sie mit einen tiefen, unauslöschlichen Eindruck machten.

Gar zu gerne hörten wir zu, wenn uns Frau Pfarrer aus ihrer Jugend- und Lehrerinnenzeit erzählte. Höchst ergötzlich war ihre Schilderung einer Kostfrau aus jener Zeit, die ihr die Gerichte oft in den unglaublichsten Zusammenstellungen aufgetischt. (Ob dies wohl den Grund zu ihren spätern Haushaltungsvorträgen legte?) Sie zeichnete uns auch ihr Leben als junge Pfarrsfrau, wie sie als die erste Frau eines altkatholischen Pfarrers oft unerhörten Anfechtungen von gegnerischer Seite ausgesetzt gewesen, aber am meisten sprach sie uns von gemeinnützigen Bestrebungen, von ihrer Lieblingsidee, der Ausbildung von Hôtel- und bessern Privatköchinnen. Dass es junge Mädchen unter ihrer Würde finden konnten, Köchin zu werden, und dafür lieber schlecht bezahlte Stellen als Bonnen etc. annehmen, war ihr unbegreiflich.

„Wie tut das doch gut, von Zeit zu Zeit mit edlen, tüchtigen Frauen zusammenzutreffen; man kommt wieder als ein viel besserer Mensch heim!“

Mit welchem Eifer die aussergewöhnliche Frau an den Bestrebungen des Schweiz. Gemeinnützigen Frauenvereins teilnahm, trotz der vielen Pflichten zu Hausse, weiss jedermann. Ich erinnere mich eines Abends, wie sie aus einer grössern Frauenversammlung heimkam, noch ganz in gehobener, Weihevoller Stimmung, und uns voll Eifer erzählte von allem, was sie gesehen und gehört, und wie sie schliesslich ganz bewegt äusserte: ‚Wie tut das doch gut, von Zeit zu Zeit mit edlen, tüchtigen Frauen zusammenzutreffen; man kommt wieder als ein viel besserer Mensch heim!‘

Mit Frau Pfarrer Gschwind ist eine ungewöhnliche, originelle Persönlichkeit heimgegangen. Sie war eine merkwürdig praktische Frau, von deren reichen Lebenserfahrungen ein junges Mädchen viel lernen konnte. Einfach und gerade in ihrem Auftreten, eine echte Bernerin, liebte sie auch an andern einfaches, schlichtes Wesen; Geziertheit hasste sie. Sie war zum tätig sein geboren; ein ganz ruhiges, abgeschiedenes Leben hätte sie wohl nicht ausgehalten. Wer sie näher kannte, der konnte nicht anders, als sie schätzen und hochachten. Nie werden ihre Schülerinnen die Tage im Pfarrahaus am grünen Rhein vergessen, sondern sich stets mit Liebe und Danbarkeit der trefflichen Lehrerin erinnern und sie in treuer Angedenken behalten. A. M.-B“

2. Nachruf

„‘Praktisch sei der Mensch, divig und aufmerksam.‘ So schrieb mir die Verstorbene in das Kochbuch, dessen Verfasserin sie gewesen. – Was sie der Schülerin ans Herz legte, entsprach so voll und ganz ihrer eigenen Natur, dass ich glaube, sie bedeuten die beste Beschreibung ihrer Persönlichkeit. Eine so schaffensfreudige, liebevolle Frau, wie sie konnte in der doch gewiss grossen Wirksamkeit des Pfarrhausees nicht Genüge finden, und so gründete sie ihre Haushaltungsschule, die weithin bekannt geworden ist und grossen Segen gebracht hat. Sie verstand es aber auch, wie keine zweite, ihre Schülerinnen, von denen die meisten doch kurz vorher noch auf der Schulbank gewesen, die tiefsten Geheimnisse der Koch- und Haushaltungskunst zu entschleiern. Was das heissen will, kann man sich ungefähr vorstellen, wenn man gesehen hat, dass junge Mädchen dabei waren, die nichts von irgend einer Kochkunst wussten; die nicht wussten, wann die Milch kochte und Kohl und Salat nicht unterscheiden konnten. Dazu waren die meisten jung und übermütig und brauchte es gewiss oft viel Geduld und Takt, die Gesellschaft in Ordnung zu halten.

Ich glaube, es sind die sorglos-fröhlichsten Tage, die ich in Kaiseraugst verlebte. Ernste Arbeit wechselte mit heitern Stunden; die Frau Pfarrer war auch in vorgerücktern Jahren jung genug geblieben, um zu verstehen, das man bei aller Arbeit lustig sein kann. Mürrische Mienen konnte sie überhaupt nicht leiden.

Nun will ich versuchen, in Kürze das Leben im Kaiseraugster Pfarrhause zu beschreiben. – Ich habe zwei Kurse mitgemacht, die vom Herbst 1898 bis im Frühjahr 1899 dauerten. Mit recht gemischten Gefühlen kam ich in Kaiseraugst an; da ich vorher mich noch nie in der Küche betätigt hatte, dachte ich mir, die Frau Pfarrer würde oft genug sich über mein Nichtwissen entsetzen. Zu meiner grossen Beruhigung waren die andern sieben Töchter auch nicht besser daran. Wie schwer es ist, immer wieder mit frischen Schülerinnen anzufangen, die keine Ahnung vom Hausehalten haben, sah ich erst recht, als ich in den zweiten Kurs eintrat. Jeder Kurs dauerte zehn Wochen und da war es denn erstaunlich, was man alles in der verhältnismässig kurzen Zeit sich an Können und Wissen aneignen konnte. – Wir waren immer in Hälften geteilt; vier Schülerinnen hatten die Oberherrschaft in der Küche und die andern halfen ihnen, wenn sie mit dem Zimmeraufräumen fertig waren. Das scheint nun recht einfach, war aber für die Leiterin sicher anstrengend und mit vier Ärger verbunden. Alles musste da erklärt und gezeigt werden, vom Kaffeemachen bis zum Wischen.  

„Eine gute „Rösti“ sei der Prüfstein für die Köchin.“

Dabei war die Frau Pfarrer sehr exakt und duldete nicht, dass etwas nachlässig gemacht wurde. Um 7 Uhr wurde gefrühstückt. Abwechselnd jeden Tag musste eine Schülerin den Kaffee und die „Rösti“, zubereiten, meinte doch die Frau Pfarrer mit Recht, eine gute „Rösti“ sei der Prüfstein für die Köchin. Im Anfang war die Leiterin immer selbst dabei, sonst wären sicher oft die Kartoffeln verbrannt. Nach dem Kaffee ging’s an das Abwaschen und in die Zimmer. Vorher wurde das jeweilige Mittagessen besprochen. Waren die Zimmer gründlich geordnet, so half man in der Küche, wo’s immer für alle genug zu tun gab. Da wurde gebraten, gekocht und gebacken, dass es eine Freude war und die Frau Pfarrer half überall, spendete mitunter etwas Theorie und hatte immer ein gutes Auge auf alle Hände, dass sie nicht müssig blieben. War für einzelne nichts zu helfen, so strickte man sich Staub- und Aufwaschtücher, die man zu Hause wohl verwenden konnte und deren Arbeit die Aufmerksamkeit nicht ablenkte. Jeden Tag wurde von einer Tochter der Tisch gedeckt, dieselbe hatte auch vor dem Frühstück das Esszimmer zu kehren und abzustauben. Nach dem Essen, das stets in gemütlichster Weise verlief, wurde das Esszimmer aufgeräumt, das Geschirr abgewaschen und die Küche in Ordnung gebracht. Von 2 bis 4 Uhr wurde theoretisch gearbeitet, was für uns ein grosser Genuss war. Da hatte man nun so recht Gelegenheit, unsere Frau Pfarrer zu bewundern. Was konnte sie nicht alles aus den prosaischsten Dingen herausholen! Wie gross waren ihr Wissen, ihr Können und das Talent, ihre geistigen Schätze den andern nutzbar zu machen! Und wie verstand sie es, auch den Unpraktischsten die scheinbar komplizierte Sache auseinander zu setzen.

„Das Höchste aber war die Aufstellung eines Budgets auf der Basis eines gewissen Einkommens.“

Da wurden Rezepte geschrieben zur Konservierung der Früchte und Gemüse, die sicher mancher tüchtigen Mutter noch willkommen waren, wenn das Töchterlein sie nach Hause brachte. Speisezettel wurden zusammengestellt für alle möglichen Gelegenheiten. Das Höchste aber war die Aufstellung eines Budgets auf der Basis eines gewissen Einkommens. Fast keine hatte eine Ahnung, was eine Haushaltung kkostet, und da war es denn oft recht ergötzlich, die Wünsche der einen oder andern zu kritisieren und darzutun, dass deren Erfüllung mit der bewilligten Haushaltungssumme unvereinbar wäre. Darin nun war die Frau Pfarrer Meisterin. Nichts durfte vergessen werden. Wohl protestierte die eine: ‚Mein Man darf nicht rauchen,‘ – die Frau Pfarrer war unerbittlich und so mussten wir denn probieren, mit bescheidenem Wirtschaftsgelde den Haushalt einer Familie mit drei Kindern anständig zu führen. Wie dankbar bin ich der hochverehrten Frau für all‘ das und wie viele werden mit mir stets ihrer in Liebe gedenken.

Waren wir mit dem jeweiligen Tagespensum glücklich durch, so kam die Kaffeestunde; dann wurden Handarbeiten gemacht, wobei die Frau Pfarrer stets mit Rat und Tat behülflich war, oder wir unternahmen einen kleinen Spaziergang, bis die Zeit heranrückte, wo mit der Vorbereitung für das Nachtessen begonnen werden musste. An einzelnen Nachmittagen wurden Früchte eingemacht, oft auch, zu unserer grossen Freude, Süssigkeiten gebacken, wobei wir dann künstlerische Tortengarnituren erlernen konnten, in denen die Lehrerin eine erstaunliche Fertigkeit besass. Wenn nach dem Nachtessen alles geordnet war, wurden die Menus vom Mittag- und Abendessen eingeschrieben, die mir jetzt liebe Erinnerungen hervorrufen.

„Oft wurde musiziert.“

Dann kam ein gemütliches Abendstündchen, das nur immer zu schnell vorbei war. Da waren solche, die lassen, einzelne schrieben Briefe, wieder andere arbeiteten; oft wurde musiziert. Nach 9 Uhr ging man zur Ruhe und nie wurde nach der frohen Tagesarbeit über schlechten Schlaf geklagt.

Das war der gewöhnliche Verlauf eines Tages, Freitags und Samstags war es noch etwas abwechselnder. Nach dem Nachmittagskaffee am Freitag musste die Tagesköchin den Kochherd von Russ und Asche reinigen; die übrigen machten sie an des Hauses Heiligtum, des Herrn Pfarrers Studierzimmer, um auch da ihren Ordnungssinn zu betätigen. – In jedem Schlafzimmer schliefen zwei Töchter, von denen stets eine bei der Zimmer-, die andere bei der Küchentour war. Jedes Zimmer wurde nun am Samstag Morgen von der einen Bewohnerin gründlich geputzt, während ihre Genossin in der Küche beschäftigt war, die Messing-, Zinn- und Kupfersachen zu reinigen. Nachmittags kam das Esszimmer an die Reihe. – Wie froh wird manche ehemalige Schülerin jetzt sein, dass sie unter so ausgezeichneter Leitung stehen durfte und nun ihrerseits andern zeigen kann, wie’s gemacht wird. Dass dies nötig ist, weiss jede alte oder junge Hausfrau; das wird auch meine liebe Mitschülerin von Baselaugst jetzt finden, die damals Tränen vergoss, weil sie helfen sollte, den Boden aufzureiben. – Jeden Samstag hatte auch eine Tochter den Küchenboden zu fegen.

„Man blieb bei schlechtem Wetter zu Hause, las oder spielte Gesellschaftsspiele.“

Sonntags wurden gewöhnlich grössere Spaziergänge gemacht oder man blieb bei schlechtem Wetter zu Hause, las oder spielte Gesellschaftsspiele. Einmal fuhren wir mit der Frau Pfarrer nach Säkkingen, wo wir den idyllischen Waldsee besuchten und seinem Sänger Scheffel unsere Huldigung darbrachten, ein andermal statteten wir dem baslerischen Missionshaus auf Chrischona unsern Besuch ab und öfters besuchten wir in Basel das Theater.

Freudentage brachte uns auch die Wäsche. Das mag mancher Hausfrau wie Hohn klingen, aber es kommt eben darauf an, wie man die Sache angreift. Es wird sicher der Frau Pfarrer kein Vergnügen gewesen sein, uns Neulingen zu zeigen, wie jedes einzelne Stück behandelt sein sollte und uns kam die ungewohnte Arbeit zuerst etwas hart an; aber mit fröhlichem Humor kam man über das Schwierige hinweg  und wenn wir erst die saubere Wäsche im Freien, rings um die Kirche aufhängen konnten, wurden wir ganz stolz auf das vollbrachte Werk. – So haben wir auch gelernt, die Arbeit richtig einzuschätzen, und wer das kann, wird sicher auch von andern nichts übermässiges verlangen.

„So durften wir jeden Freitag Abend im grossen Wohnzimmer tanzen.“

Jede Woche wurde ein Nachmittag gebügelt; da sind die ersten Male oft merkwürdige Dinge zustande gekommen. An Arbeit fehlte es nie, doch hatten wir auch recht viele vergnügte Stunden. So durften wir jeden Freitag Abend im grossen Wohnzimmer tanzen. Ausser dem Klavier war noch eine grosse Drehorgel da; oft genug wurde diese von der Frau Pfarrer gedreht, damit wir alle tanzen konnten oder dann wagte diese selbst ein Tänzchen. Wie fröhlich diese harmlosen Tanzabende waren, kann sich niemand vorstellen, der nicht dabei gewesen ist. Am letzten Freitag im Kurs wurde jeweilen ein Maskenball abgehalten mit Souper etc. Ohne die geringsten Kosten steckte sich jede in einen Anzug, wobei natürlich Frau Pfarrer raten und helfen musste. Nach einem dieser Abende liessen wir uns in den Kostümen mit der Frau Pfarrer photographieren. Dass sie in solcher Gesellschaft sich photographieren liess, zeugt von ihrem lebenswürdigen Humor. Das und ihr heimeliges, freundschaftliches Wessen machte manches vergessen, was uns sonst vielleicht schwer geworden wäre: ungewohnte Arbeit und auch manche Rüge, die wir von der verehrten Lehrerin entgegennehmen mussten. Sie konnte streng sein, aber niemals war sie ungerecht und hat auch nie jemand etwas nachgetragen. War sie mit der gewöhnlich sehr kurzen Strafrede fertig, so berührte sie die Sache mit keinem Worte wieder und ich glaube, das war auch eine ihrer Eigenschaften, die sie ihren Bekannten so liebenswert erscheinen liess.

„Sie wusste in jedem etwas Gutes und Schönes zu finden und zu wecken.“

Gewiss hat sie keinem Menschen je geschmeichelt, aber sie wusste in jedem etwas Gutes und Schönes zu finden und zu wecken. Sie war einer jener seltenen Menschen, die man nicht mehr vergessen kann, wenn man sie genau kennen gelernt hat. Im Pfarrhause zu Kaiseraugst, beim Schweiz. gemeinnützigen Frauenverein, bei ihren Schülerinnen hat ihr Tode eine Lücke gerissen, die immer fühlbar bleiben wird und sie alle werden der hochverehrten Freundin und Lehrerin ein dankbares Andenken bewahren. H. G.-W.“