Die Synode ist für Bischof Urs Küry kein kirchliches Parlament mit Parteien und Fraktionen. Für ihn ist die Synode eine Not- und Hilfsgemeinschaft. Dies zeigt sich unter anderem darin, indem die Stärkeren den Schwächeren beistehen oder Fragen des Glaubens beantwortet werden, die sich in einer veränderten Welt stellen. In seinem Brief ruft er zur Mitarbeit auf, damit die Synode immer mehr vom Evangelium und vom christlichen Glauben her gestaltet wird.
Person
Urs Küry
Amt
Bischof von 1955 bis 1972
Siegelwort
«Lasset uns die Wahrheit bekennen in Liebe.» Eph 4,15
Lebensdaten
* 06.05.1901 in Luzern
† 03.11.1976 in Basel
Quellen | Literatur
Urs Küry. Hirtenbriefe. Mit einem Lebensbild von Bischof Dr. Urs Küry verfasst von Pfr. Dr. Hans A. Frei. Allschwil 1978.
«Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen, euch keine weitere Last aufzuerlegen, als nur diese notwendigen Stücke…» Apg 15,28
Alljährlich tritt unsere schweizerische Nationalsynode zusammen, um die ihr durch die kirchliche Verfassung zugedachten Obliegenheiten zu erfüllen: die Jahresberichte des Bischofs und des Synodalrates wie auch die verschiedenen Jahresrechnungen abzunehmen, die nötigen Wahlen vorzunehmen und, wenn nötig, allgemeine Grundsätze für den Gottesdienst und die kirchliche Ordnung aufzustellen. Wenn auch durch unsere Presse über den Verlauf der Synode jeweils eingehend berichtet wird, so dringt doch vom synodalen Geschehen erfahrungsgemäss nur sehr wenig in das Bewusstsein der Gemeinden ein. Es sind in der Regel nur die Mitglieder der Synode selbst, die Synodalen, die daran unmittelbar Anteil nehmen. Aber auch das kann in sehr unzulänglicher Weise geschehen. Allzu vielen geht jedes tiefere Verständnis dafür ab, was die Synode eigentlich ist. Darum wollen wir in unserem diesjährigen Hirtenbrief versuchen darzulegen, was die Synode ihrem ursprünglichen Sinne nach ist, was aus ihr geworden ist und was wir tun können, damit sie werden kann, was sie sein soll.
Synode heisst nach dem griechischen Grundwort „gemeinsamer Weg“. Gemeint ist, dass die Synode eine Versammlung ist, an der die Einheit der Gemeinden in der Einen Kirche Jesus Christi in der Gegenwart des Heiligen Geistes lebendige Wirklichkeit wird. Die Synode ist, was sie ist, von Jesus Christus, dem Herrn der Kirche, und vom Heiligen Geist her. Das aber will besagen: Die Synode ist grundlegend eine gottesdienstliche Versammlung. Was an ihr geschieht, gesagt und getan wird, ist ein kirchlicher Akt. Zur Begründung dieses Sachverhaltes hat sich die Kirche von jeher auf die Gemeindeversammlung in Jerusalem berufen, an der nach dem Bericht der Apostelgeschichte (Kapitel 15) die Apostel zusammen mit den Ältesten und mit den Brüdern (der Gemeinde) die für die damalige Kirche lebenswichtige Entscheidungen trafen, dass die Heidenchristen nicht die ganze Last des jüdischen Gesetzes auf sich zu nehmen, sondern nur sich bestimmter heidnischer Gewohnheiten zu enthalten hätten. Diese Entscheidung nun wird eingeleitet mit dem bedeutungsvollen Satz: „Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen, euch keine andere Last aufzuerlegen (als die folgenden notwendigen Stücke: ihr sollt euch enthalten von Götzenopferfleisch und Blut und erstickten Tieren und von Unzucht).“ Nicht der Inhalt dieser Entscheidung ist uns hier wichtig, sondern die Art, wie sie zustande kam: durch den Heiligen Geist, der zu den versammelten Aposteln, Ältesten und Brüdern sprach. Nach diesem Vorbild verstanden sich die Synoden der alten Kirche als Versammlungen, an denen der Heilige Geist das entscheidende Wort sprach.
Darum wurde an diesen Synoden nicht, wie bei uns, nach dem Mehrheitsprinzip abgestimmt, auch wurden keine rechtsgültigen „Beschlüsse“ gefasst und deren Durchführung auch nicht mit Rechtsmitteln durchgesetzt. Denn sie sollte über das, was der Heilige Geist zur versammelten Gemeinde sprach, abgestimmt oder Beschluss gefasst werden? Der Heilige Geist selbst entschied. Die Synode hatte auf seine Entscheidungen nur zu hören und konnte dieselbe nur bezeugen. Das geschah in der Form einer feierlichen Akklamation, einer freien gemeinsamen Zustimmung zu dem, was der Heilige Geist anordnete. „Es hat dem heiligen Geist und uns gefallen.“ War eine Minderheit da, die nicht mit einstimmte, so wurde sie nicht majorisiert. Vielmehr wurde mit ihr in geistlicher Zwiesprache so lange geredet, bis sie sich von der durch den Heiligen Geist bezeugten Wahrheit überführen liess. Gelang das nicht, so schied die Minderheit aus der Synode aus. Das suchte man natürlich nach Möglichkeit zu verhüten. Darum dauerten die Synoden oft Wochen und Monate lang, bis wirkliche Einhelligkeit erzielt war. Das ganze Verfahren hatte mit dem heutigen Parlamentarismus nichts zu tun. Es war das Verfahren des synodalen Umgangs, der sich von Mann zu Mann im Geiste der Brüderlichkeit und der Liebe vollzog.
Ein weiteres Merkmal der alten Synode war es, dass jede von ihnen, ob klein oder gross, sich als Vertretung der Einen und ganzen Kirche verstand. Sie wusste sich als solche in der Gegenwart des Heiligen Geistes unmittelbar dem Herrn der Kirche, dem erhöhten Christus, verantwortlich. Grundsätzlich war es völlig belanglos, ob an einer Synode nur wenige Gemeinden oder solche der ganzen Ökumene vertreten waren. Die Synoden waren nicht, wie heute, Versammlungen von gewählten Abgeordneten aus verschiedenen Gemeinden, die es sich zur Aufgabe gemacht hätten, die sich widersprechenden Willensstrebungen der einzelnen Gemeinden auf einen Nenner zu bringen. Für die alte Kirche gab es gar nicht verschiedene, rechtlich voneinander getrennte, autonome Einzelgemeinden, die sich zur Synode als ihrem Organ der Einheit zusammenschlossen. Die Synode wusste sich von demselben Heiligen Geist geleitet, der auch in den einzelnen Gemeinden am Werk war. Was die Synode entschied, war immer auch eine Entscheidung der Einzelgemeinde, und umgekehrt. Die Synode war und wollte nichts anderes sein als was jede Einzelgemeinde war, und umgekehrt die Einzelgemeinde nichts anderes, als was die Synode war: eine Vertretung der Einen und ganzen Kirche. Warum gab es dann, so kann man von daher fragen, überhaupt Synoden? Warum waren sie überhaupt notwendig?
Die Synoden waren notwendig, weil es von Anfang an neben starken innerlich und äusserlich schwache Gemeinden gab, die der Hilfe bedurften. Die Synoden waren ursprünglich Not- und Hilfsgemeinschaften, an denen die Stärkeren den Schwächeren beistanden. Solche Hilfeleistungen waren notwendig, wenn eine Gemeinde oder eine Mehrzahl von solchen ihren Bischof verlor und es galt, einen neuen zu wählen. Die Wahl eines Bischofs war schon damals eine so heikle Aufgabe, dass sie nur von der unter dem Heiligen Geist versammelten Synode gelöst werden konnte, an der ausser den Laien und Priestern immer auch Bischöfe aus der Nachbarschaft anwesend waren. Synoden waren aber auch notwendig, wenn in den Gemeinden Irrlehrer verkündet wurden und es zu Glaubenszwistigkeiten kam oder wenn die allgemein angenommenen Normen für den Gottesdienst und für die kirchliche Ordnung nicht mehr eingehalten wurden. In solchen Fällen hatte die Synode die Aufgabe, den rechten Glauben zu bekennen und in Kultus und Kirchenzucht die überlieferte Ordnung wiederherzustellen. An den Synoden wurde so der ganze Notstand der irdischen Kirche, ihre Ohnmacht und Schwäche, aber auch die Gegenwart und Kraft des Heiligen Geistes offenbar, der allein den Synoden Autorität und Würde gab.
Anfänglich waren die Synoden erweiterte Gemeindeversammlungen, an denen Bischöfe, Priester und Laien gemeinsam ratschlagten. Später wurden die Synoden mehr und mehr zu reinen Bischofsversammlungen, von denen Priester und Laien zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen waren. Sie konnten aber ihren Einfluss nur noch indirekt ausüben. Dadurch trat ein Moment in den Vordergrund, das für die spätere Entwicklung bestimmend geworden ist: Die Synoden wurden zu Behörden der Kirche. Behördlich-autoritativen Charakter empfingen also die Synoden dadurch, dass an ihnen das geistliche Amt, im Besonderen der Episkopat, grösseres Gewicht erhielt. Das hat nicht selten zu einer unguten Klerikalisierung der Synoden geführt. An und für sich muss das nicht sein. Vielmehr wird durch die Vertretung des geistlichen Amtes deutlich, dass die Synode ihren behördlich-autoritativen Charakter davon her hat, dass an ihr Amtsträger anwesend sind, die Gottes Wort verkünden und Gottes Sakrament spenden. Durch die ihnen aufgetragene Verkündigung des Wortes Gottes in Predigt und Sakrament, die beide Gaben des göttlichen Herrn an seine Kirche sind, wird die Synode in unübersehbarerer Weise daran erinnert, dass nicht sie, sondern der Herr selbst die Kirche auferbaut und regiert. Allein von ihrem Herrn her, dem alle, Prediger und Hörer, Sakramentsverwalter und Sakramentsempfänger, unterstellt sind, hat die Synode ihre behördliche Vollmacht. Darum hat die Synode auch immer die Pflicht und die Aufgabe, helfend und richtunggebend dafür einzustehen, dass die Amtsträger, Bischöfe, Priester und Diakone den ihnen aufgetragenen Dienst ungehindert und unangefochten erfüllen können. Die Synode ist auch darin eine Not- und Hilfsgemeinschaft, dass sie Helferdienste zu leisten hat am geistlichen Amt, am Amt des Bischofs für die Gesamtkirche wie am Amt des Priesters für jede Einzelgemeinde, damit sie, Bischöfe, Priester und Diakone, in den Stand gesetzt werden, „die Heiligen auszurüsten zum Werk des Dienstes, dadurch der Leib Christi auferbaut wird.“ (Eph 4,12).
Aufs Ganze gesehen, können wir das Gesagte, indem wir ihm einen allgemeinen Sinn geben, so zusammenfassen: Die Synode ist eine unter der Leitung Jesu Christi und des Heiligen Geistes stehende gottesdienstliche Versammlung durch welche die an ihr vertretenen Gemeinden das ihnen allen gemeinsame Leben bezeugen, kundgeben, manifestieren. Jede Synode ist eine Kundgebung des den Gemeinden gegebenen Geistes. Darüber hinaus aber ist jede Synode, ob klein oder gross, eine lebendige Vertretung der Einen und ganzen Kirche. Darin, dass sie das ist, liegt ihre Würde, ihre Hoheit, ihre Heiligkeit. Beides aber ist die Synode nur als brüderliche Not- und Hilfsgemeinschaft, die nach dem Grundsatz handelt, dass der Stärkere dem Schwächeren hilft. Wo dieser Grundsatz nicht mehr respektiert wird, ist keine wirkliche Synode mehr. Und die Synode ist endlich kirchliche Behörde, die ihre Vollmacht allein im Herrn selbst hat, dessen Wort und Sakrament durch die Amtsträger verkündet bzw. gespendet wird. Durch den ihnen gegebenen Auftrag stehen die Amtsträger wie zur Einzelgemeinde, so auch zur Synode in einem Verhältnis des „Gegenüber“. Wo dieses Gegenüber nicht mehr gesehen und anerkennt wird, hat die Synode keine echte Autorität mehr.
Wie sieht nun auf dem Hintergrund dieser altkirchlichen Synoden unsere heutige Synode, die Synode der christkatholischen Kirche der Schweiz, aus? Wir werden zugeben müssen, dass unsere Synode von ihrem altkirchlichen Vorbild weit entfernt ist, auch dann, wenn sie verfassungsmässig einwandfrei und vom guten Willen aller getragen, einen „schönen“ Verlauf nimmt. Wir werden aber andererseits auch nicht übersehen dürfen, dass die Synode, wie sie unsere Väter geschaffen haben, nicht einfach ohne jede Entsprechung zur altkirchlichen Synode, zur Synode im Glaubenssinn, ist. Um gerecht zu sein, werden wir beides sehen müssen: das, was unsere Synode von derjenigen der alten Kirche unterscheidet, und das, was sie mit ihr verbindet. Wir werden, um das recht zu verstehen, zuvor einiges sagen müssen über die geschichtliche Entstehung unserer kirchlichen Verfassung.
Als die Väter unserer Kirche darangingen, ihr eine synodale Verfassung zu geben, hatten sie kein kirchliches Vorbild, an das sie sich unmittelbar hätten halten können. In der römisch-katholischen und in der protestantischen Kirche der letzten Jahrhunderte war das synodale Leben, das in der alten Kirche lange Zeit im Mittelpunkt ihres Denkens und Handelns stand, bis auf wenige Reste erstorben. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde durch protestantische Kreise der alte Synodalgedanke wieder aufgegriffen und neu belebt. Aber er wurde vielfach in einer Weise zur Anwendung gebracht, die allzu sehr von den damaligen staats- und verfassungsrechtlichen Anschauungen abhängig war. Im Bereich der altkatholischen Kirchen war es Prof. F. von Schulte, der hervorragende Laienführer der deutschen altkatholischen Kirche, der den dritten Altkatholikenkongress in Konstanz im Jahre 1873 eine vom katholischen Kirchenrecht her begründete Gemeinde- und Synodalordnung vorlegte, die dann auch den übrigen altkatholischen Kirchen zum Vorbild diente. In dieser Ordnung wird versucht, die bischöflich-synodale Verfassung der alten Kirche mit dem Verfassungsrecht des modernen Staates zu vereinen. Bemerkenswert an dieser Ordnung ist, dass sie von oben nach unten aufgebaut ist. An der Spitze der Kirche steht der Bischof, der der Vorsitzende des Synodalrates und der Synode ist und dessen Kompetenzen genau umschrieben werden. Erst dann werden die Rechte und Pflichten des Synodalrates und der Synode und zuletzt die der Gemeinden bestimmt. Die Verfassung unserer schweizerischen Kirche ist umgekehrt, von unten nach oben aufgebaut. „Die christkatholische Kirche der Schweiz“ – so heisst es im ersten Artikel der Verfassung – „beruht auf den Kirchgemeinden …, welche in der katholischen Nationalsynode das einheitliche Organ ihrer Gemeinschaft besitzen.“ Dementsprechend werden die Bestimmungen über die Gemeinden an den Anfang gestellt, dann folgen die über die Synode, über den Synodalrat, und erst zuletzt die über den Bischof und die Pfarrer. Eduard Herzog, damals noch Pfarrer in Olten, hatte einen Entwurf ausgearbeitet, der im Sinne der Konstanzer Beschlüsse den Bischof an die Spitze stellte. Nach seinem Entwurf sollte der Bischof Präsident des „Oberkirchenrates“ (Synodalrat) und der Synode sein. Damit drang Eduard Herzog nicht durch. Es gab damals in den Kreisen der freisinnigen Katholiken einen starken, laizistischen Flügel, der aus „demokratischen“ Gründen das Bischofsamt überhaupt nicht beibehalten wollte. Augustin Keller war es, der diesem radikalen Flügel entgegentrat mit dem Argument, dass ohne bischöfliches Amt eine katholische Kirche überhaupt nicht denkbar sei. Nach langen und heftigen Auseinandersetzungen wurde dann die bischöfliche Verfassung angenommen. Diese wurde aber ganz nach dem Muster unserer demokratisch-repräsentativen Staatsverfassung aufgebaut. „In Rückkehr zur alten katholischen Kirche“ – so heisst es in einer Entschliessung der damaligen Zeit – „und zugleich entsprechend dem Geiste unserer republikanischen bürgerlichen Institutionen wird die Verfassung der Altkatholiken in der Schweiz auf rein demokratischer Grundlage in der Gemeinde basiert und sodann mit Anwendung des repräsentativen Systems in höheren Synodalorganen ausgebaut werden, die zur Bewahrung der Einheit sowie zur Leitung und zeitgemässen Fortbildung des Ganzen berufen sind.“ Was daraus entstand, war ein kirchlich-rechtsstaatliches Mischgebilde. Man wird zwar nicht sagen können, dass der Kirche eine ihre wesensfremde demokratisch-repräsentative Rechtsgestalt einfach aufgestülpt wurde. Aber unverkennbar ist, dass man bei Ausbau der kirchlichen Organisation in weitgehendem Masse bei den politischen Institutionen unseres Landes Anleihen machte. Es werden Begriffe, wie die, dass die Einzelgemeinde selbständig, autonom, die Synode die gesetzgebende, der Synodalrat die vollziehende Behörde sei, übernommen – Begriffe, die eigentlich nur im politischen Bereich voll gültig sind und sich auch dort voll entfalten können. Kirchlich richtiger und sachgemässer wären andere Ausdrücke gewesen. Glücklicherweise macht aber die Verfassung von diesen politischen Begriffen in sehr massvoller, ja in fast verschämter Weise Gebrauch. Auch ist die Verfassung – was man ihr schon zu Unrecht zum Vorwurf gemacht hat – sehr knapp formuliert und beschränkt sich auf das Allernotwendigste.
Von den politischen Institutionen hat die Verfassung eigentlich nur die äusseren Formen übernommen. Das hat seinen Grund unter anderem darin, dass die schweizerische Demokratie, wie sie im Verfassungsrecht des letzten Jahrhunderts ausgebaut wurde, selber weithin im rein Formalen bleibt – im Unterschied zur bündisch-genossenschaftlichen Demokratie der Urschweiz, die im Naturrecht der katholischen Kirche verwurzelt war, und zur theokratischen Demokratie des Reformationszeitalters, die in der Reich-Gotte-Botschaft ihren Rückhalt hatte. Die vom demokratischen Staat der Neuzeit in unsere kirchliche Verfassung übernommenen Prinzipien sind aber infolge ihres rein formalen Charakters weit genug gefasst, dass auch sie zum Gefäss echter kirchlicher Gehalte werden können, andererseits sind sie – um der Torheit und Disziplinlosigkeit der Menschen willen – im Staat, so auch in der Kirche notwendig, um einen geregelten Verlauf der Verhandlungen und dem einzelnen Rede- und Handlungsfreiheit zu gewährleisten.
Worauf es unter diesen Umständen letzterdings ankommt, ist dies, dass die demokratischen Rechtsformen, die in unsre Verfassung eingebaut sind, die ihnen im kirchlichen Raum zugedachten Funktionen erfüllen und im Geiste Christi angewendet werden. Es ist darauf Bedacht zu nehmen, zu unserer Gemeinde- und Synodalordnung eine echte, christliche Grundhaltung zu finden und den tiefgehenden Unterschied zu sehen, der zwischen dem politisch-staatlichen und dem kirchlichen Handeln besteht. Nur an einigen wenigen Beispielen soll dieser Unterschied aufgezeigt werden: Demokratie heisst bekanntlich Volksherrschaft. Demokratie ist also ein Herrschaftsprinzip, das nach unserer schweizerischen Staatsauffassung den Vorzug verdient vor den beiden anderen Herrschaftsformen. Denn in der Kirche geht es, wenn sie sich selbst recht versteht, nicht um Herrschaft und Macht, sondern um den selbstlosen Dienst am Bruder. Weiter: In der Politik geht es wesentlich um die Selbsterhaltung des einzelnen und des Volksganzen, um das Gemeinwohl, das von den verschiedenen Volksgruppen in einem Prozess gegenseitiger sittlicher Läuterung und Reifung erkämpft wird. In der Kirche geht es in keiner Weise um Selbstbehauptung, sondern um die völlige Selbstaufgabe in der Liebe, die nicht das eigene Recht, sondern das Heil des Nächsten sucht. Für den politischen Kampf ist das Freund-Feind-Verhältnis grundlegend: Wer sich nicht meiner Anschauung oder meiner Partei anschliesst, ist mein Gegner. In der Kirche geht es um das gemeinsame Ringen von Brüdern um die Wahrheit, die den Frieden schafft. In der Demokratie ist es – wenigstens formal – das Volk, das regiert, das Volk ist der „Souverän“.
In der Kirche ist nicht das Volk der Souverän, sondern einzig und allein Jesus Christus, der Herr der Kirche, der die Seinen, Männer und Frauen, als das Volk Gottes um sich sammelt. In der Politik herrscht das Gesetz der rechtlich organisierten Macht, in der Kirche das Gesetz der Liebe, die nicht das Ihre sucht.
Und eben dies, dass in der Kirche ein anderes Gesetz herrscht als im staatlichen-politischen Bereich, muss wie in jeder Einzelgemeinde, so auch an der Synode zum Ausdruck kommen. Die Synode ist nun einmal kein kirchliches Parlament. In dem Masse, als sie das sein will, entfremdet sie sich ihrem eigentlichen Wesen und verfällt – wie sich das im Einzelnen aufzeigen liesse – denselben Missständen, die wir vielfach an unseren heutigen Parlamenten feststellen müssen. Es wäre darum verkehrt, unsere kirchliche Verfassung im parlamentarischen Sinn noch weiter auszubauen, sei es – wie das schon im Ernst in Erwägung gezogen wurde – durch Schaffung von Parteien und Fraktionen (ohne die nach politischen Begriffen allerdings eine Demokratie nicht funktionieren kann), sei es durch Zentralisierung der Bürokratie, die durch besondere Organe zu kontrollieren wäre, oder sei es – was noch am ehesten vertretbar wäre – durch Schaffung eines kirchlichen Gerichtes nach dem Prinzip der Gewaltentrennung. Wir würden, wenn wir solches täten, zumal in unseren kleinen Verhältnissen, immer weniger Synode, dafür aber die Karikatur eines demokratischen Gemeinwesens werden.
Wir haben darum alles zu tun, um die Kirchwerdung unsrer Synode zu fördern, ihrer Verweltlichung entgegenzuwirken und ihr den religiösen Gehalt zurückzugeben, den sie von ihrem Ursprung her haben sollte. Wir dürfen uns durch die aus dem staatlichen Leben übernommenen Begriffe nicht verwirren lassen. Wir müssen uns insbesondere über folgendes klar sein: Die Einzelgemeinde ist nicht nur eine autonome Körperschaft im rechtlichen Sinn, die sich von den anderen Gemeinden und der Synode abzugrenzen und sich auf ihre Selbständigkeit und ihre freies Verfügungsrecht zur berufen nötig hat, sondern sie ist – jede, auch die kleinste Gemeinde – eine unmittelbare Vertretung der Einen und ganzen Kirche, die Gott verantwortlich ist und die in dieser Verantwortung nur tun darf und kann, was dieser Einen und ganzen Kirche dient. Und die Synode ist „das oberste gesetzgebende und entscheidende Organ“ unserer Kirche nicht deshalb, weil sie sich diese Funktion in der Verfassung selbst zuschreibt, sondern weil ihr dieser Dienst vom Herrn der Kirche übertragen wird. Diesen Dienst erfüllt sie nur in dem Masse, als sie sich als Not- und Hilfsgemeinschaft an den Schwachen erweist. Und endlich muss klar sein, dass die Synode ihre Autorität und Würde allein vom Herrn der Kirche hat, der durch das vom geistlichen Amt verkündete Wort und gespendete Sakrament zu ihr spricht und an ihr handelt. Diese Sonderstellung des geistlichen Amtes wird in unserer Verfassung dadurch anerkannt, dass die Geistlichen, Bischof, Priester und Diakone von Amtes wegen Mitglieder der Synode sind. Das ist kirchlich, aber nicht demokratisch gedacht. Zwar treten die Geistlichen an der Synode in ihrem besonderen Amtscharakter nicht als von den Laien abgehobene Gruppe hervor. Sie stehen, reden und entscheiden in Reih und Glied mit den Laien. Und das ist gut so. Aber durch ihr Amt, das sie nicht von der Synode und auch nicht von der Gemeinde, sondern von Gott erhalten haben, sind sie der Synode als besondere Zeigen der Wahrheit und als deren Diener gegenübergestellt. Als diese Zeugen der Wahrheit treten die Geistlichen an unserer Synode nur deshalb nicht besonders hervor, weil nach unserer Verfassung der Synode kein Entscheidungsrecht in Fragen des Glaubens zukommt. Was christlicher Glaube ist, kann in verbindlicher Weise nur ein allgemeines Kirchenkonzil sagen. Das gilt jedenfalls in dem Sinne, dass die Synode nicht berufen ist, etwa die beiden grundlegenden Glaubenssymbole – das apostolische und das nicäisch-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis – als unverbindlich zu erklären, sie abzuändern oder gar durch ein neues zu ersetzen. Was aber geschehen kann, ist dies, dass die Synode unter der Führung ihrer Geistlichen und in der Zwiesprache mit ihnen sich um ein tieferes Verständnis des ihr übergebenen Glaubensgutes bemüht und von ihm her um ein neues Verständnis der Fragen ringt, die sich der Kirche heute stellen. Die Synode muss sich aber dessen bewusst sein, dass sie nicht als „Souverän“ unter Missachtung der Grundstruktur der Kirche einfach alles beschliessen kann, was sie gerade für gut und nützlich hält. Über die Grundstruktur der Kirche zu wachen ist mit eine Aufgabe der Synode und vor allem des Bischofs. Durch sein Amt und durch die Gemeinschaft, in der er mit seinen Mitbischöfen steht, ist der Bischof an bestimmte Normen gebunden, der er auch der Synode gegenüber nicht preisgeben darf. In seinen altkirchlichen Rechten, insbesondere im Recht der Ordination, der Visitation und der Lehrentscheidung in Konfliktfällen, ist er in der Gemeinschaft seiner Mitbischöfe Gott allein verantwortlich. In dieser Stellung des Bischofs im Gegenüber zur Synode, die ihn selbst erwählt hat, wie in der besonderen Stellung der Geistlichen überhaupt, kommt der kirchliche Charakter unserer heutigen Synode noch am ehesten zum Ausdruck.
Damit ist natürlich nicht gemeint, dass die Laien an der Synode zu schweigen und nur entgegenzunehmen hätten, was ihnen durch das „Lehramt“ vorgelegt wird. Im Gegenteil. Eine Klerikalisierung der Synode wäre mindestens ebenso schlimm wie ihre Verpolitisierung und Verweltlichung. Die Laien, Männer und Frauen, sind darum dringlichst aufgerufen, mit den Geistlichen zusammen sich an den Arbeiten und an den Gesprächen der Synode aktiv zu beteiligen. Aber auch sie sollen das tun als Amtsträger, nämlich in Ausübung ihres allgemeinen Priestertums. Sie haben an der Synode nicht nur als „Delegierte“ die Interessen ihrer Gemeinde zu wahren, sondern sich ihrer kirchlichen Verantwortung für das Ganze bewusst zu sein und sich stets vor Augen zu halten, dass sie an der Synode in der Verantwortung vor Gott stehen und dass sie in dieser Verantwortung Helferdienste zu leisten haben.
Damit sind wir aber schon der Frage nähergerückt, wie nun nach den dargelegten Grundsätzen die Synodearbeit im Einzelnen zu gestalten ist.
Die Synode ist eine gottesdienstliche Versammlung. Sie muss darum auch diesem ihrem Grundcharakter entsprechend gestaltet werden. Sie wird bei uns eröffnet durch einen gemeinsamen Gottesdienst mit Predigt und Abendmahl. Dieser Gottesdienst darf aber nicht nur eine feierliche Eröffnungszeremonie sein für Verhandlungen, die dann doch einen ganz andren Geist atmen. Vielmehr muss die gottesdienstliche Grundhaltung für die Art, wie die Geschäfte der Synode behandelt werden, bestimmend bleiben. Mit Recht wird darum die Synode noch durch ein besonderes Gebet des Synodepräsidenten eingeleitet, das in knappen Worten den Sinn der Synode umschreibt. Es lautet: „Allmächtiger, ewiger Gott, der du die Verheissung gegeben, durch deinen Sohn Jesus Christus bei deiner Kirche zu sein bis ans Ende der Welt, wir bitten dich demütig, sei gegenwärtig im Rate deiner Diener, die sich in deinem Namen versammelt haben. Erfülle sie mit deinem heiligen Geist …“ Seien wir uns bewusst, dass das nicht nur erbauliche Worte zur Einrahmung der Synode sind, sondern dass hier eine Anrufung des allmächtigen Vaters, des Herrn der Kirche, Jesus Christus, und des Heiligen Geistes erfolgt in der Erwartung, dass der dreieinige Gott selbst die Gedanken, die Worte und Taten der Synodalen leiten und segnen werde. Ist aber die Synode eine Versammlung, die – wie jede Versammlung, die im Namen des Herrn zusammentritt – gottesdienstlichen Charakter hat, dann sollten an der Synode oder über sie keine Ausdrücke gebraucht und keine Töne angeschlagen werden, die nun einmal nicht in einen Gottesdienst gehören. Es sollten auch nicht überflüssige Bemerkungen und Anfragen über geringfügige, rein verwaltungstechnische, äusserliche Dinge gemacht werden, über Dinge, die nicht eigentlich an die Synode gehören und ebenso gut bei der Verwaltung direkt erfragt und von ihr beantwortet werden können. Es sollte auch nicht vorkommen, dass Verfahrensfragen einen so breiten Raum einnehmen, dass unvergleichlich viel wichtigere Entscheidungen, zum Beispiel über die Liturgie, nur noch ganz rasch und diskussionslos „erledigt“ werden können. Liegen vonseiten der Synodalen ernsthafte Fragen oder Bedenken vor, ober beabsichtigen sie, Anregungen oder Wünsche vorzubringen, so sind diesbezüglich Anfragen und Begehren vorher im synodalen Umgang und im brüderlichen Verkehrt mit dem Bischof oder mit dem Präsidenten des Synodalrates abzuklären, damit an der Synode keine kostbare Zeit verlorengeht und aus der schweigenden nicht eine schwätzende Synode wird und – was das Schlimmste ist: damit die Synode nicht ihren kirchlichen Charakter verliert. Die Synode soll eine Kundgebung im guten und echten Sinne sein, eine Kundgebung des Geistes, der der Kirche gegeben ist. Natürlich kann dieser Geist an der Synode kein anderer sein als der, der in den einzelnen Gemeinden vorherrscht, und wer über unsere Gemeinden einigermassen einen Überblick hat, der weiss, dass die Abgeordneten derjenigen Gemeinden, in denen ein guter kirchlicher Geist herrscht, auch an der Synode auferbauend wirken, während die Vertreter innerlich weniger gefestigter, in sich gespaltener Gemeinden der Synode Abbruch tun können. Es geht dabei allerdings nicht um irgendeinen Geist, sondern um den Geist Chrisi, der, wie in der Einzelgemeinde, so auch an der Synode nur nach dem Masse unseres Glaubens wirksam wird. Dass Er, der Heilige Geist, über uns herrsche, das muss unser erstes und letztes Anliegen sein. Darum ist darauf zu achten, dass an die Synode Abgeordnete gewählt werden, die um den Heiligen Geist in ihrem eigenen Leben wissen, Abgeordnete, die gläubige Christen, verständnisvolle und innerlich beteiligte Gottesdienstbesucher sind und nicht bloss solche, die sich in der Verwaltung oder im Vereinsleben der Ortsgemeinde hervorgetan haben. Nur Männer und Frauen, die im Glauben stehen und in der Liebe wandeln, sind auch fähig und bereit zum synodalen Umgang und brüderlichen Gespräch mit denjenigen, denen die Leitung der Kirche übertragen ist. Dieser synodale Umgang muss aber auch in umgekehrter Richtung erfolgen, nicht nur von den Synodalen her zur Kirchenleitung, sondern auch von der Synode und ihren Organen her zu den einzelnen Gemeinden hin. Die Synodalen haben es darum als ihre vordringliche Pflicht zu erachten, dass sie in ihren Heimatgemeinden oder doch zum mindestens vor dem Kirchenvorstand in aufbauender Weise über das synodale Geschehen Bericht erstatten.
Ein weiterer, wichtiger Schritt zur Entweltlichung und Kirchwerdung unserer Synode ist der, dass sie sich selbst ausdrücklich als Not- und Hilfsgemeinschaft versteht und bewusst danach handelt. Immer wieder werden Klagen darüber laut, dass an der Synode so viel vom Geld die Rede ist. Darauf ist zu erwidern, dass es nach den bestehenden Vorschriften Pflicht der Synodalbehörde ist, dass es nach den bestehenden Vorschriften Pflicht der Synodalbehörde ist, Rechenschaft abzulegen darüber, was mit dem ihr anvertrauten Geld geschehen ist bzw. geschehen soll. Wenn nicht überflüssige Fragen gestellt und allfällige Unstimmigkeiten im synodalen Umgang schon vor der Synode abgeklärt worden sind, dann nehmen die Finanzgeschäfte an der Synode erfahrungsgemäss sehr wenig Zeit in Anspruch. Aber letzterdings kommt es nicht auf das Mehr oder Weniger an Administrativem an, sondern auf den Geist, in dem dieses erledigt wird. Und an diesem Geist fehlt es vielerorts. Zu diesem Geist gehört zunächst schlicht, dass die Kirche sich dessen nicht schämt, dass sie Geld braucht und, wie alle ordentlichen Menschen, rechnen muss. Wir sollten uns darum über das „rein Administrative“ nicht allzu erhaben fühlen, sondern dafür besorgt sein, dass es rasch und sauber behandelt werden kann. Vor allem aber ist wichtig, einzusehen, dass das Geld in der Kirche einen anderen Sinn hat als in jeder anderen menschlichen Gemeinschaft oder etwa gar im Bankgeschäft. Im Raum der Kirche hat das Geld den Sinn eines Opfers, das der Stärkere dem Schwächeren bringt. Das wird dem verständnisvollen Synodalen deutlich bei jeder Jahresrechnung des Synodalrates, in der die Hilfeleistung an finanzschwache Gemeinden die ausschlaggebende Rolle spielt; noch deutlicher wird es an unserem Diasporawerk und am deutlichsten wohl am Bistumsopfer. Wenn die Synode sich selbst recht versteht und nichts anderes ein will als eine Not- und Hilfsgemeinschaft, so wird sie sich an diesen Finanzberichten nicht stossen oder langweilen, sondern sich daran freuen, dass Jahr für Jahr so viel geholfen werden kann. Um im rechten Geist zu handeln, dürfen sich Synode und Gemeinden auch nicht – wie das leider vereinzelt geschehen ist – an den Grundsatz halten: ich gebe, wenn du mir auch gibst; oder an die Maxime: ich helfe nur, wenn die andern auch helfen. Das alles ist weltlich gedacht und ist kein christlicher Hilfsdienst, sondern Mammonsdienst.
Ähnliches gilt nun auch von den Jahresberichten über das religiös-kirchliche Leben, die alljährliche vom Synodalratspräsidenten und vom Bischof abgelegt werden. Für viele sind das Berichte wie andere, die nachher in der Presse erscheinen und die, wenn sie nicht etwas ganz Ausserordentliches zu verzeichnen haben oft mit nur geringem Interesse entgegengenommen werden. Das hat seinen Grund darin, dass diese vielen an dem was ausserhalb ihrer eigenen Gemeinde geschieht, keinen oder nur geringen Anteil nehmen. Zudem sind diese Berichte nicht immer angenehm und ermutigend. Sie legen Zeugnis ab von Notständen, Schwierigkeiten, von menschlichen Versagen und unerfüllten Aufgaben. Aber sie reden doch auch von reichen Segnungen, Gaben und Hilfeleistungen, die der Gesamtkirche und den Einzelgemeinden zuteil geworden sind. Wer seine Kirche vom Glauben her liebt, ihre Nöte sieht und für sie leidet, der nimmt diese Berichte mit tiefer Dankbarkeit gegen den Herrn der Kirche entgegen, der seine Hilfe unserer kleinen Schar hat zuteilwerden lassen.
Eine Not- und Hilfsgemeinschaft ist aber die Synode auch darin, dass sie aufgerufen ist, auf Fragen des Glaubens, wie sie sich heute in einer veränderten Welt stellen, das rechte Wort zu finden. Die Glaubensnot vieler unserer Mitmenschen ist heute die tiefste Not, vor die sich in ihrer Weise auch die Synode als Hilfsgemeinschaft gestellt sieht. Und dieser Not hat sie im oben dargelegten Rahmen ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken. Wir meinen zwar nicht, dass die Synoden Glaubensversammlungen sein sollen, an denen jeder, der sich dazu berufen fühlt, Zeugnis ablegt von seinem persönlichen Glauben und von den Einsichten, die ihm der Glauben geschenkt hat. Wir meinen auch nicht, dass die Synode nach Vorbild weltlicher Verbände Proklamationen, Aufrufe und Proteste an die Öffentlichkeit ergehen lassen und, ohne sich von Sachkundigen beraten zu lassen, zu allen möglichen Tagesfragen Stellung nehmen soll. Wichtiger ist, dass die Synode auf Grund von geeigneten Referaten den Synodalen selbst Anleitung gibt zu einer tieferen Besinnung auf die die Welt bewegenden Probleme und dass sie vom Glauben her eine Antwort sucht, die die Synodalen in persönlicher Verantwortung in ihren Gemeinden und auch in der Öffentlichkeit zu bezeugen hätten. Solche Besinnungsarbeit braucht aber nicht unbedingt an der Synode selbst, sondern kann auch an einer an sie sich anschliessenden freien Versammlung erfolgen.
Denn, es darf eines nicht vergessen werden: Die Synode ist nicht ein blosses Diskussionsforum, sondern sie ist eine kirchliche Behörde, die zuallererst ihre statutarischen Pflichten zu erfüllen und Entscheidungen zu fällen hat – vornehmlich auf dem Gebiet der Liturgie und der Kirchenzucht. Sie hat als Not- und Hilfsgemeinschaft die Aufgabe, dort, wo Unordnung und Willkür droht, zum Rechten zu sehen und den Geistlichen, die guten Willen sind, zu helfen, das religiöse Leben der Gemeinde zu befruchten. Dass die Synode in diesem Sinn eine wahrhaft kirchliche Behörde wird und echte Autorität ausstrahlt, das ist wohl die schwierigste Aufgabe, die sie zu erfüllen hat. Die Synode kann das nur, wenn sie – und damit nehmen wir den an den Anfang gestellten Satz wieder auf – sich selbst als gottesdienstliche Versammlung versteht, die unter der Leitung des Herrn der Kirche in der Gegenwart des Heiligen Geistes handelt und durch dieses Handeln die Einheit der Gemeinden im Glauben und in der Liebe zu einer lebendigen Wirklichkeit werden lässt.
Wir haben, an der altkirchlichen Synode aufzuzeigen versucht, was die Synode heute sein könnte. Wir haben dazu auch einige Vorschläge gemacht. Aber nicht diese Vorschläge sind uns wichtig. Vielmehr liegt uns am Herzen, ein tieferes, biblisch-kirchliches Verständnis der Synode anzubahnen. Wir rufen darum alle, die sich für das Wohl unserer Kirche verantwortlich wissen, mit Nachdruck auf, die hier vorgebrachten Gedanken wohl zu erwägen, selbst nach Verbesserungen des gegenwärtigen Zustandes zu suchen und dazu den Weg des synodalen Umganges und der brüderlichen Aussprache mit der Kirchenleitung zu beschreiten. Streben wir alle danach, vom Evangelium und von unserem christlichen Glauben her unsere Synode mehr und mehr so zu gestalten, dass einmal der Tag für sie Kommt, an dem sie für ihre Entscheidungen mit guten –gewissen das Wort der Heiligen Schrift auf sich anwenden kann: „ Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen.“