Unsere Synode: Antwort auf Urs Kürys Hirtenbrief von 1967

Lieber Bischof Urs Küry,

1967 hast du in deinem Hirtenbrief erklärt, wie in deinen Augen die christkatholische Kirche ihre Synode verstehen soll. Natürlich hast du dich dabei, wie es sich für einen Christkatholiken gehört, an den Synoden der Alten Kirche orientiert. Synode kommt aus dem Griechischen und heisst «gemeinsamer Weg». Das war in der Alten Kirche ganz wichtig: Es ging nicht um Mehrheiten und Minderheiten, sondern um den Weg, den alle mitgehen.

Die Synoden konnten wochen- und monatelang dauern, bis man den breiten Konsens fand, mit dem alle leben konnten.  Und wenn jemand partout nicht damit leben konnte, hat er den gemeinsamen Weg verlassen. Solche Kirchenspaltungen versuchte man aber immer zu vermeiden. So wurden die Entscheidungen zwar nicht schneller, dafür aber besser.

Wobei sich die Synoden in der Alten Kirche nicht als Entscheidungsgremien sahen. Schon das Apostelkonzil in Jerusalem leitete seinen Beschluss ein mit den Worten «Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen…» Die Synode entscheidet nicht aus eigener Machtvollkommenheit, sondern sie versucht, den Willen des Heiligen Geistes zu erspüren. Deshalb ist die Synode eine gottesdienstliche Versammlung, die auf Gottes Wort hört. Du hast ganz recht, lieber Bischof Urs, uns das in Erinnerung zu rufen.

Ich bin ja der Meinung, dass der breite Konsens und die Wirkung des Heiligen Geistes eng miteinander zusammenhängen: Wenn wir uns nach ernsthafter und vielleicht heftiger Diskussion einig werden, dürfen wir darin vertrauensvoll ein Zeichen sehen, dass der Heilige Geist in der Versammlung wirkt. Dies können, so scheint mir, die Menschen bis heute nachvollziehen.

Unsere Synode heute ist aber auch eindeutig ein Kirchenparlament, das ähnlich funktioniert wie staatliche Parlamente. Du führst in deinem Hirtenbrief ja aus, wie es dazu gekommen ist: In den Gründerjahren der christkatholischen Kirche gab es starke und politisch aktive Laien, welche die Kirche und ihre Strukturen prägten.

Heute ist die Synode vielleicht noch parlamentarischer als zu deiner Zeit. Die Synodalen heute sind debattierfreudiger – ja, auch ich selbst gehöre zu denen, die gerne diskutieren. Die Synoden dauern heute länger und die Protokolle werden dicker. Und ich finde das gut so! Es entspricht, auf aktualisierte Art, dem altkirchlichen Vorbild, wenn man diskutierend den gemeinsamen Weg sucht.

Bei allem Parlamentarismus stelle ich aber auch fest: Die Synodalen mögen keine komplizierten Abstimmungsvorgänge, mit Antrag, Gegenantrag und einem halben Dutzend Abänderungsanträgen. Gerade bei der letzten Synodesession, 10./11. September 2021 in Thun, hatten wir eine solche Situation. Da hat der Synodepräsident die Sitzung unterbrochen und gesagt: Liebe Antragsstellende, kommt bitte nach der Kaffeepause mit einem gemeinsamen Antrag zurück. Gemeinsamer Weg – es hat funktioniert.

Dein wichtigster Gedanke scheint mit: Ein staatlikches Parlament ist in der Demokratie ein Instrument der Machtausübung, bei der das Volk der Souverän ist, während eine Synode eine Solidaritätsgemeinschaft ist, die keine Macht ausübt, sondern den Schwachen dient. In der Synode ist Christus der Souverän. Es war 1967 wichtig, die Menschen daran zu erinnern, es bleibt wichtig bis heute. Wobei ich finde, du tust dem Staat ein klein wenig unrecht: Auch im Staat, im Parlament, in der Demokratie geht es darum, mit dem Schwachen solildarisch zu sein, und auch bei Gesetzesvorlagen ist es schön, wenn die breite Mehrheit zustimmt und nicht nur 51 %. Vielleicht sollte nicht nur die Kirche synodal sein, sondern auch der Staat immer synodaler werden.

Ich danke dir für dein Wirken in der Kirche und für die wichtigen Schriften, die du uns hinterlassen hast. Sie inspirieren uns bis heute.

Beste Grüsse aus dem Jahr 2021,

Adrian Suter