Im Dienste der Kirche

Bischof Dr. Harald Rein erörtert in seinem Hirtenbrief von 2012 das Thema «Im Dienste der Kirche». Dazu gehört auch die Frage der Bezahlung von geleisteter Arbeit. Er ermutigt zur Diskussion über die Motivation für die kirchliche Arbeit in der Gemeinde, Klärung der Umstände, Umfang der Aufgaben, Zeitbedarf, Kompetenzen oder bezahlt sowie unbezahlt. In der Diskussion soll der Blick in die Zukunft gerichtet sein und nicht die Vergangenheit im Mittelpunkt stehen.

Tag der offenen Tür Studentenheim in Bern
(Quelle: Bischöfliches Archiv)

Person
Harald Rein

Amt
Bischof von 2009 bis 2023

Siegelwort
«Nicht Menschenlob, nicht Menschenfurcht.» C. A. von Galen

Lebensdaten
* 01.10.1957 in Bochum

Hinweis zum Bild
Bischof Dr. Harald Rein während des Gottesdienstes zum Tag der offenen Tür 2012 des Christkatholischen Studentenheimes in Bern.

Hirtenbrief zur Fastenzeit 2012

An die christkatholischen Kirchgemeinden

und an die Christkatholikinnen und Christkatholiken in der Diaspora

„Ihr seid alle einer in Christus“. Im Dienste der Kirche.

Laien und Geistliche: unbezahlte und bezahlte Arbeit in der Kirche

„Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr seid alle einer in Christus.“  

(Galater 3,28)

Liebe Schwestern und Brüder,

Jeder Versuch, sich in einer Frage zu verständigen, ist nach Professor Kurt Stalder wesentlich erschwert, wenn die Gesprächsteilnehmer/innen nicht angeben, in welchem Sinn sie Ausdrücke verstehen, die sie verwenden.

Einleitung

Als ich über das geplante Thema des Hirtenbriefes 2012 mit Mitgliedern unserer Kirche im Kontext des Jahres der Freiwilligenarbeit 2011 diskutierte, war eine typische Reaktion:  Wäre es nicht griffiger zu titeln: Laien in der Kirche oder Freiwilligenarbeit in der Kirche?  Der Hintergrund war der, dass sie annahmen:  beides sei doch synonym.  Laien arbeiten in der Kirche ehrenamtlich, freiwillig, umsonst … Nur die Geistlichen sind bezahlt.

Aber stimmt das heute noch? Wir haben in unsere Kirche bezahlte Laien (z.B. im Bereich Medien, Finanzverwaltung, Universität, Fort- und Weiterbildung, Religionsunterricht, Sakristei, Sekretariat, Kirchenmusik usw.) und bezahlte Geistliche (Diakoninnen, Diakone, vor allem  Pfarrerinnen und  Pfarrer und den Bischof). Wir haben in unserer Kirche aber auch unbezahlte Geistliche und vor allem unbezahlte Laien. Wir haben weiterhin in unserer Kirche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bezahlte Teilzeitarbeit leisten und bei denen die Grenze zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit fliessend ist. Hinzu kommen die vielen pensionierten Geistlichen, ohne deren Mithilfe das gottesdienstliche Leben nicht mehr so funktionieren würde, wie es zurzeit ist. Dieser Reichtum an Möglichkeiten hilft nicht nur den Auftrag der Kirche in der heutigen Welt wahrzunehmen, sondern beinhaltet auch Konfliktpotential und Unklarheiten bei Ausdrücken, wie z.B. freiwillig, ehrenamtlich, unbezahlt usw.

Ferner höre ich bei Regionalisierungen und dem Zusammenlegen von Kirchgemeinden die Kritik: Macht es Sinn, geistliche Stellenprozente einzusparen und dafür ein Sekretariat zu errichten? Letzteres haben doch früher Laien umsonst gemacht …

Hinzu kommt, dass die traditionelle Unterscheidung zwischen Laien und Geistlichen in der Tradition katholischer Kirchen heute weniger verstanden wird als früher. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist mit Laie eher der Nichtfachmann gemeint.

So möchte ich mit dem diesjährigen Hirtenbrief diese Themen vertiefen und zu Diskussionen in den Kirchgemeinden anregen.

Laien und Geistliche in der Kirche

In Artikel 4 unserer Kirchenverfassung heisst es: „Laien und Geistliche sind gleichermassen verantwortlich für das kirchliche Leben“. Und im Vorwort zur Verfassung wird diese Unterscheidung als eine von Gott gewollte Struktur der Kirche vorausgesetzt. In vielen Gremien unserer Kirche wird strikt darauf geachtet, dass die Laien in der Mehrheit sind und das Präsidium stellen. Wenn man einmal von der historischen Verwurzelung unserer Kirche im Kulturkampf und dessen berechtigter Ablehnung von Klerikalismus in der Kirche absieht, hat diese besondere Hervorhebung des Laien keine biblische Tradition; eben so wenig, wie die Privilegierung des Geistlichen im Sinne von Gott gegebener Herrschaft und Macht. Denn die biblische Überlieferung kennt primär nur das allgemeine Priestertum aller Gläubigen (vgl. 1. Petrusbrief 2,5-9). Alle Mitglieder des Volkes Gottes sind Heilige bzw. Trägerinnen und Träger des Heiligen Geistes. Im Volk Gottes sind alle Schwestern und Brüder, weil sie im Glauben Geschwister werden. Es gibt eine Vielfalt von Funktionen, Aufgaben, Diensten und Gaben in der Kirche.

Es braucht die Laien bzw. die Nichtordinierten, die gemeinsam mit den Ordinierten die Kirche sind. Das eine kann nicht ohne das andere sein. Das eine kann nicht gegen das andere ausgespielt werden.

Erst im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus entwickelte sich die Auffassung, dass die Kirche aus Laien und Geistlichen (Diakonat, Presbyterat und Episkopat) besteht, und dass das so genannte dreistufige Amt für die Kirche konstitutiv und von Gott gewollt ist. Das ist auch eine der Hauptdifferenzen zwischen den Kirchen katholischer und protestantischer Tradition. Für unsere katholische Kirche und ihr Verständnis von Bibel und Tradition ist selbstverständlich, dass es das Amt in der Kirche (Diakonat, Presbyterat und Episkopat und die so genannte apostolische Sukzession), also die Geistlichen braucht. Nur sie können in der Regel die Gottesdienste leiten, die Sakramente spenden und predigen. Zugleich braucht es die Laien bzw. die Nichtordinierten, die gemeinsam mit den Ordinierten die Kirche sind. Das eine kann nicht ohne das andere sein. Das eine kann nicht gegen das andere ausgespielt werden.

Abzulehnen aus christkatholischer Sicht ist die im Mittelalter sich manifestierende Auffassung, dass es sich bei Laien und Geistlichen um 2 Stände handelt, die sich ontologisch durch die Weihe oder Nichtweihe unterscheiden und dass die Geistlichen den Laien übergeordnet seien. Das hiesse nach unserem ersten Bischof Eduard Herzog den wahren Hohepriester Jesus Christus negieren. Denn bei den Einsetzungsworten zum Abendmahl bzw. im Eucharistiegebet sagt und tut der Priester / die Priesterin nur, was Jesus Christus seiner Gemeinde aufgetragen hat. Und die Priesterin / der Priester sagt und tut es in deren Auftrag. So heisst es in unserem deutschsprachigen Gebet- und Gesangbuch (CG 115) im Eucharistiegebet V nach Hippolyt bei der Bitte um den Heiligen Geist (Epiklese) „Wir bitten dich: Sende deinen Heiligen Geist auf diese von der heiligen Kirche dir dargebrachten Gaben …“.

Es geht um unterschiedliche Dienste in der Kirche. Aber letztlich sind alle gemeinsam verantwortlich und entscheiden gemeinsam.

Es geht um unterschiedliche Dienste in der Kirche. Aber letztlich sind alle gemeinsam verantwortlich und entscheiden gemeinsam. Deshalb ist eine Synode in unserem Verständnis kein Parlament, sondern eine gottesdienstliche Versammlung, die die Eucharistiefeier zu Beginn der Synode fortsetzt. In der Synode wird mit der Hilfe des Heiligen Geistes um Entscheidungen im Konsensprinzip gerungen.

Worin liegt also bezüglich Laie heute eigentlich das Problem? Die Missverständnisse beruhen darauf, dass im allgemeinen Sprachgebrauch Laien Nichtfachleute sind. Jetzt könnten wir natürlich sagen, dass das nicht unser Problem ist und bei uns der Laie etwas anderes bedeutet, nämlich das nicht ordinierte Kirchenmitglied. Aber ist das nicht weltfremd? Am Eindrücklichsten wird das allgemeine Priestertum nach Bischof Eduard Herzog zu Beginn der Eucharistiefeier deutlich, wenn der Priester in der gemeinsamen Vorbereitung der Gemeinde (heute im CG 101 Gemeinsame Vorbereitung mit Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte) seine Schuld bekennt und die Gemeinde Gott um Vergebung bittet, bevor er das Schuldbekenntnis der Gemeinde entgegennimmt und für diese seine Vergebungsbitte an Gott richtet.

Insgesamt gesehen plädiere ich dafür, den Begriff Laie in der Kirche zu streichen.

Insgesamt gesehen plädiere ich dafür, den Begriff Laie in der Kirche zu streichen. Denn in keiner anderen Gesellschaftsordnung gibt es eine Sammelbezeichnung für jene, die kein ordiniertes Amt / keine besondere Beauftragung haben. Alle sind Bürgerinnen und Bürger des Staates bzw. Mitglieder der Kirche im Sinne von Gleichheit. Und das Wort Laie kommt in der Bibel gar nicht vor. Alle Christinnen und Christen sind das Volk Gottes, in dem es vielfältige Aufgaben und Dienste gibt, einschliesslich der Dienste / Ämter, die mit einer Beauftragung / Ordination / Weihe verbunden sind. Hier sei z.B. darauf hingewiesen, dass die Professoren/innen und Mönche in unseren orthodoxen Schwesterkirchen meistens nicht ordinierte / geweihte Geistliche sind; aber für das Lehramt und die Spiritualität ihrer Kirchen bedeutend. Es ist eine Fehlentwicklung unserer westlichen Kultur, dass die Bedeutung und die Kompetenz einer Person in der Kirche nur an ihrem Weihegrad gemessen werden.

Es ist eine Fehlentwicklung unserer westlichen Kultur, dass die Bedeutung und die Kompetenz einer Person in der Kirche nur an ihrem Weihegrad gemessen werden.

Mir geht es hier nicht um definitive Lösungen und Begrifflichkeiten, sondern um die Sensibilisierung für einen noch zu leistenden und breit abzustützenden Klärungsprozess analog der Bibel in gerechter Sprache.

Freiwilligenarbeit

Menschen bekennen sich vom Heiligen Geist bewegt zur Kirche und machen mit, indem sie z.B. den Gottesdienst besuchen und andere Anlässe in der Gemeinde. Aber das ist m. E. noch nicht Freiwilligenarbeit. Freiwilligenarbeit geht über die Kirchenmitgliedschaft und den Gottesdienstbesuch hinaus. Auch wenn natürlich beides freiwillig ist.

Von Freiwilligenarbeit spreche ich, wenn jemand für Dritte – also über die Familie hinaus – umsonst Arbeitsleistung erbringt. Dieses Engagement kann spontan sein (z.B. Nachbarschaftshilfe und nach Hause fahren von Gottesdienstbesuchern, die schlecht laufen können) oder regelmässig (z.B. den Kirchenkaffee vorbereiten, im Jugendlager kochen oder Neuzuzüger besuchen). Dies ist heute nicht mehr so selbstverständlich wie früher. In der gesamten abendländischen Tradition gehört der individuelle Beitrag zum sogenannten Allgemeinwohl unverzichtbar zu einem erfüllten Leben. Wer sich in der Antike dem entzog, galt als ein idiotes, ein Mensch, der nur privat für sich schaut. Freiwilligenarbeit hilft zu einem erfüllten Leben.

Unsere Kirche muss sich fragen, ob die Art und Weise, wie sie Freiwilligenarbeit anbietet und organisiert, noch zeitgemäss ist.

Bezüglich Freiwilligenarbeit in unserer Kirche nehme ich wahr: Es wird immer schwieriger, Menschen dafür zu begeistern. Das ist einerseits verständlich, denn die heutigen Lebensumstände sind komplex und die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen ist zu akzeptieren. Anderseits kann unsere Kirche ohne Freiwilligenarbeit nicht existieren. Und kann man sich als Kirchenmitglied dieser inneren Verpflichtung als einem Teil des Christseins wirklich konsequent entziehen? Zugleich muss sich aber auch unsere Kirche fragen, ob die Art und Weise, wie sie Freiwilligenarbeit anbietet und organisiert, noch zeitgemäss ist. Ähnliches gilt für das Ehrenamt in der Kirche.

Das Ehrenamt

Beim Ehrenamt handelt es sich um eine besondere Form der Freiwilligenarbeit. Man wird bei uns in diese Aufgabe gewählt (z.B. Mitglieder und Präsidien Kirchenpflege, Kirchenrat, Synodalrat, Vereinsvorstände usw.) und/oder angefragt und besonders eingesetzt (z.B. Lektor/in, Ministrant/in). Man übt diese Tätigkeit mittel- bis langfristig, regelmässig und im Lichte der Öffentlichkeit aus. Sie ist oft mit Führungsverantwortung im weitesten Sinne des Wortes verbunden. In diesem Kontext macht es Sinn den Begriff Amt zu verwenden. Es gibt also ordinierte und nicht ordinierte Ämter in der Kirche. Was ein Ehrenamt leistet, kann man gar nicht bezahlen!

Freiwilligenarbeit und Ehrenamt

Das Bedürfnis, sich für andere und eine Gemeinschaft von Menschen einzusetzen ist ein universell-menschliches. Im Christentum bekommt es durch das Gebot der Nächstenliebe eine besondere Dimension: „Wahrhaftig ich sage euch, alles, was ihr für dieses meiner geringsten Geschwister getan habt, habt ihr für mich getan.“ (Matthäus 25,40).

In diesem Sinne sollte Freiwilligenarbeit uneigennützig sein. Schon im bekannten Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lukas 10,25-37) wird aufgezeigt, dass man es sich als Christin oder Christ nicht immer aussuchen kann, wo und wann Hilfe benötigt wird. Zugleich ist es sinnvoll bei der Suche nach Freiwilligen auch auf deren Interessen und Bedürfnisse ausgerichtet zu sein und nicht nur auf die der Kirchgemeinden.

Wir brauchen mehr Mut, unsere bisherigen Strukturen zu hinterfragen. Wir brauchen mehr Fantasie für neue Zeitmuster und Gemeinschaftsformen.

Welche Dienste braucht es in der Kirchgemeinde? Welche neuen Dienste sind sinnvoll? Wie können sie gefördert und begleitet werden? Dies sind Fragen, über die die Kirchgemeinde diskutieren sollte. Wollen Kirchgemeinden um Freiwillige werben, sollten sie einen Perspektivenwechsel vollziehen. Das heisst: bei der Gewinnung von Freiwilligen und Ehrenamtlichen nicht nur darauf zu achten, für welche bisherigen Dienste / Ämter man jemanden braucht, sondern die Interessen und Wünsche der Betreffenden selbst mit berücksichtigen und ein entsprechendes eigenständiges Engagement ermöglichen. Freiwillige engagieren sich heute kurzfristiger und lieber projektbezogen. Neues kann nicht begonnen werden, ohne Altes sterben zu lassen. Wir brauchen mehr Mut, unsere bisherigen Strukturen zu hinterfragen. Wir brauchen mehr Fantasie für neue Zeitmuster und Gemeinschaftsformen. Freiwillige und Ehrenamtliche sind gleichwertige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Zufriedenheit der Freiwilligen und ihre gute Begleitung sind wichtig. Ihre Eigenverantwortlichkeit und entsprechende Kompetenzen müssen klar geregelt sein.

Im Idealfall ist Freiwilligenarbeit für jedes Kirchenmitglied eine Chance, Ideen einzubringen, sich einzumischen und mitzugestalten. Das kann die eigene Lebenserfahrung erweitern und neue Lebenswelten erschliessen, auch für die Kirche und ihren Auftrag. Denn ausgehend vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen ist es eine Tatsache, dass der Grossteil der Christinnen und Christen seine christliche Sendung im weltlichen Kontext lebt (z.B. Beruf und Familie) und die Reflexion darüber in der Kirche zu wenig Raum findet; insbesondere bei denen, die zu 100% im geschützten Raum der Kirche arbeiten.

Unbezahlte und bezahlte Arbeit in der Kirche

Auch hier gilt zu Beginn zu klären, in welchem Sinne die Begriffe bezahlt und unbezahlt verwendet und verstanden werden.

Von bezahlter Arbeit spreche ich, wenn ein Anstellungsverhältnis mit Lohn vorliegt. Von unbezahlter Arbeit spreche ich, wenn dies nicht der Fall ist.

Das bedeutet aber nicht, dass es für unbezahlte Arbeit grundsätzlich kein Geld gibt. Vielmehr sollte die Rückerstattung von realen Unkosten auch für Freiwillige und Ehrenamtliche selbstverständlich sein. Wie z.B. die Auslagen für Bastelmaterial oder Reisespesen für Synodedelegierte. Wenn ein Freiwilliger oder Ehrenamtlicher darauf verzichtet, ist dies grosszügig. Aber die Lebens- und finanzielle Situation von jedem engagierten Kirchenmitglied ist anders und jedenfalls zu achten.

Bei meinen Gemeindebesuchen ist es erfreulich mitzuerleben, wie viele Menschen verschiedenen Lebensalters, verschiedener Ausbildung und Herkunft sich engagieren.

Jede Kirchgemeinde muss aufgrund ihrer Situation entscheiden, welche Dienste bezahlt und welche unbezahlt sind, welche Auslagen erstattet werden und welche nicht. In einer kleinen Kirchgemeinde z.B. kann der Finanzverwalter wie der Diakon ehrenamtlich sein, während sie in einer grossen Kirchgemeinde entlohnt sein können.

Wichtig ist aber bei allem, dass die Partner im Voraus über die gegenseitigen Erwartungen und Bedingungen offen sprechen und diese schriftlich vereinbaren, damit nicht Gefühle entstehen, die zu Frustration führen. Es gibt für die Kirche nichts Schlimmeres als bezahlte oder unbezahlte Mitarbeiter/innen, die so aussehen, als wenn sie einen Besenstiel verschluckt hätten …

Bei meinen Gemeindebesuchen ist es erfreulich mitzuerleben, wie viele Menschen verschiedenen Lebensalters, verschiedener Ausbildung und Herkunft sich engagieren. Aber deren Anzahl ist in den letzten Jahren empfindlich zurückgegangen …

Perspektiven

Auch wenn an jedem einzelnen Ort bzw. für jede Kirchgemeinde die Dinge einzuschätzen, abzuwägen und zu entscheiden sind, lassen sich gewisse gesellschaftliche Gegebenheiten und Trends weder verdrängen noch aufhalten. Vermutlich werden in der Schweiz in etwa 20 Jahren nur noch diejenigen zu einer Kirchgemeinde / Kirche gehören, die bewusst zu ihr gehören wollen. Die Art und Weise der christlichen Gemeinschaftsformen neben der sonntäglichen Eucharistiefeier wird sich verändern. Die meisten Dienste und Aufgaben werden in der Zukunft wahrscheinlich freiwillig und ehrenamtlich geleistet. Nur ganz wenige Personen, wie z.B. die Pfarrerin / der Pfarrer, werden bezahlt werden können. Andere bezahlte Dienste (z.B. Katechetinnen, Sekretariate, das Ständige Diakonat, Jugendarbeiter und Erwachsenbildner) werden nur noch regional möglich sein oder auf Ebene der Gesamtkirche bzw. des Bistums.

Verschliessen wir nicht die Augen vor den Veränderungen, die sich abzeichnen. Sondern nutzen wir die Zeit des Übergangs mit Hilfe des Heiligen Geistes. Diskutieren Sie Themen wie Motivation für die kirchliche Arbeit in der Gemeinde, Klärung der Umstände, Umfang der Aufgaben, Zeitbedarf, Kompetenzen, bezahlt oder unbezahlt usw. Dabei darf nicht die Vergangenheit im Mittelpunkt stehen, sondern die zu bewältigende Zukunft zur Ehre Gottes und zum Wohle der Menschen.

Bern, in der Fastenzeit 2012

Bischof Dr. Harald Rein

« Was ich für euch bin, erschreckt mich.

Was ich mit euch bin, tröstet mich.

Für euch bin ich Bischof.

Mit euch bin ich Christ.

Bischof, das ist der Titel einer Aufgabe, die man übernimmt,

Christ, das ist der Name einer Gnade.

Der Titel ist gefährlich, der Name ist heilbringend.“

(Augustinus, Predigten 340,1)