Abendmahlskelch und Suppentag

Verbindlichkeit & Freiheit | heute

Wie hält die christkatholische Kirche fest, welche Regeln in ihr gelten? Natürlich gibt es eine Kirchenverfassung, 1875 beschlossen und 1989 totalrevidiert, es gibt Gemeindeordnungen und Reglemente. Einen «Kodex des kanonischen Rechts» wie in der römisch-katholischen Kirche gibt es aber nicht. Die eigentliche Grundlage dessen, was in der Kirche gilt, bildet die Liturgie.

Liturgie als das, was in der Kirche gilt

Geistliche legen bei ihrer Weihe – Diakonats-, Priester- und Bischofsweihe – ein Versprechen ab und bekommen vom Bischof einen Weiheauftrag. Versprechen und Auftrag bilden die Grundlage dessen, was von den Amtsträgerinnen und Amtsträgern erwartet wird, was ihre Kompetenzen, aber auch ihre Pflichten sind. Natürlich legen Kirchgemeinden in ihren Gemeindeordnungen Anforderungen und Aufgaben fest, was sie von ihrer Pfarrerin, ihrem Pfarrer erwarten. Es bestehen mancherorts auch Pflichtenhefte und Aufgabenlisten. Nach christkatholische Überzeugung ist der Weiheauftrag aber all diesen Regelungen vorgeordnet.

Speziell bedeutet dies: Keine Gemeindeordnung, kein Pflichtenheft kann einem Geistlichen eine Aufgabe wegnehmen oder verbieten, die im Weiheauftrag enthalten ist. Umgekehrt können Geistliche sich auch nicht von einem Teil ihres Weiheauftrags entbunden fühlen, nur weil er im Pflichtenheft nicht erwähnt ist.

unterwegs - christkatholisches Gebets- und Gesangsbuch

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Auftrag und Versprechen aus der Weiheliturgie

unterwegs - Oekumenischer Text "Das Lima Papier"

Ökumenischer Text

Taufe, Eucharistie und Amt – Konvergenzerklärung

Der Weiheauftrag ist dasjenige Stück Liturgie, bei dem am einleuchtendsten ist, dass es Rechte und Pflichten begründet. Dies ist aber auch bei anderen liturgischen Vollzügen der Fall: In der Taufe wird ein Mensch in die Kirche aufgenommen. Auch hier wird ein Versprechen abgelegt: Bei der Kleinkindertaufe versprechen Eltern und Paten, das Kind «in der Liebe zu Gott und zum Nächsten zu erziehen» und dem Kind zu helfen, in die Gemeinschaft der Kirche hineinzuwachsen. Bei der Taufe von Erwachsenen legt der Täufling selbst das Glaubensbekenntnis ab und verspricht: «Willst du aus diesem Glauben leben und Gott lieben von ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft, und deinen Nächsten wie dich selbst?»

Die Eucharistie, das gemeinsame Mahl am Tisch des Herrn, stiftet Gemeinschaft des einzelnen Menschen mit Gott, aber auch, genauso wichtig, der Menschen untereinander. Die Regeln des inneren Zusammenlebens der Gemeinschaft der Kirche sind genauso in der Eucharistie begründet wie der Auftrag der Kirche in der Welt. Gegen innen gilt es, die Gemeinschaft aufrecht zu erhalten und zu pflegen, die Gott uns in seinem Mahl schenkt. Gegen aussen ist es wichtig, den Gedanken des Teilens vom Sonntag auf den Alltag zu übertragen.

Altkirchlich ist der Grundsatz «lex orandi, lex credendi», wörtlich «Gesetz des Betens ist Gesetz des Glaubens», frei übersetzt: Im Gebet zeigt sich, was im Glauben gilt. Natürlich kann man die Regeln, welche die Liturgie vorgibt, vor keinem Gericht einklagen. Sie bringen aber besser zum Ausdruck, was in der christkatholischen Kirche gilt, als ein ausgefeiltes Kirchenrecht es könnte.

Liturgie als das, was freie Entfaltung des Glaubens fördert

Die liturgischen Texte zeigen, was in der Kirche gilt – aber wie verbindlich sind die liturgischen Texte und Bücher selbst? Muss man genau so feiern, wie es geschrieben steht, oder sind Variationen erlaubt, und wenn ja, wie weit dürfen sie gehen? Diese Fragen werden in der christkatholischen Kirche mit grossem Engagement diskutiert.

Klar ist: Was in den liturgischen Büchern steht, bildet das Grundgerüst, kann aber nicht alle erdenklichen Situationen abdecken und voraussehen. Die Verantwortlichen werden den konkreten Gottesdienst auf die Situation und die feiernde Gemeinde anpassen: Man feiert in einer kleinen Kapelle anders als in einer dreischiffigen Basilika und noch einmal anders bei einem Berggottesdienst in freier Natur oder beim Erntedank auf dem Bauernhof. Es kann und darf Lokaltraditonen und unterschiedliche Gebräuche geben, Anpassungen an die Gemeinde und an die Gottesdienstsituation.

Gleichzeitig soll ein Gottesdienst stets als christkatholischer Gottesdienst erkennbar sein. Der gemeinsame Gottesdienst ist ein Identitätsmerkmal der Christkatholischen Kirche der Schweiz. Die Nationalsynode genehmigt die liturgischen Bücher, auch wenn die konkrete Knochenarbeit natürlich von einer Liturgiekommission geleistet wird. Eine christkatholische Kirchgemeinde ist autonom und doch eingebunden ins Bistum. Wer in einer anderen Gemeinde den Gottesdienst besucht, soll sich auch dort zu Hause fühlen. Christkatholische Liturgikerinnen und Liturgiker betonen oft, dass der Gottesdienst eine wiederkehrende Struktur braucht, während bei den konkreten Formulierungen zum Beispiel von Gebeten der Glaube sich freier entfalten darf.

Nach christkatholischem Vertständnis ist die Gemeinde (Mit-)Trägerin des Gottesdienstes. Lokaltraditionen sind Gebräuche der Gemeinde. Natürlich können auch persönliche Vorlieben der Pfarrerin, des Pfarrers in die Gottesdienstgestaltung einfliessen, aber wenn die Gemeinde einfach dem liturgischen Gestaltungswillen der Pfarrerin oder des Pfarrers ausgeliefert ist, kann sie ihre eigene Verantwortung für den Gottesdienst nicht genügend wahrnehmen.