Bischof Dr. Adolf Küry
(Quelle: Bischofshaus Bern)

Die Interkommunion mit der Kirche von England

In seinem Brief schildert Bischof Dr. Adolf Küry den Werdegang der altkatholischen Kirchen mit der Kirche von England zur Abendmahlsgemeinschaft. Er zeigt die Parallelen zur alten Kirche auf und erklärt den Wortlaut der Übereinkunft. Er betont, dass Union nie Uniformität sein kann. Die Bedeutung liegt in der Übereinstimmung von grundlegenden Wahrheiten und von grundsätzlichen Auffassungen des kirchlichen Lebens. Den einzelnen Kirchen ist Freiheit einzuräumen, sofern kein Widerspruch zum Evangelium und dem Geist der alten Kirche besteht. In der Frage der praktischen Konsequenzen hebt er hervor, dass insbesondere Christkatholik*innen im Ausland durch den universalen Charakter der Kirche von England einen einfacheren Zugang zum kirchlichen Leben finden.

Bischof Dr. Adolf Küry
(Quelle: Synodalratsarchiv)

Person
Adolf Küry

Amt
Bischof von 1924 bis 1955

Siegelwort
«Lasset uns Gutes tun und nicht ermüden.» Gal 6,9

Lebensdaten
* 21.07.1870 in Basel
† 26.11.1956 in Bern

Hirtenbrief auf die Fastenzeit 1932

Dr. Adolf Küry Bischof der christkatholischen Kirche der Schweiz an die christkatholischen Gemeinden und an die Christkatholiken in der Diaspora.

Liebe Gemeinden!

Liebe Glaubensgenossen und Freunde!

„Die Gemeinde erhebt sich zum gemeinsamen Gebet für die eine Herde unter dem einen Hirten.“

In unserer Liturgie kommt der Schmerz über die Zerrissenheit der Christenheit und die Sehnsucht nach Einigung der Kirchen in ergreifender Weise zum Ausdruck. Die Fürbitte im Kyrie eleison: „Lasset uns beten für die Wohlfahrt und Eintracht der christlichen Kirchen“ beantwortet die Gemeinde: „Herr erbarme dich unser“, im allgemeinen Gebet nach der Predigt beten wir: „Verleihe uns o Gott des Friedens eine rechte Vereinigung im Glauben ohne alle Spaltung und Trennung“ und zur Kommunion: „Siehe nicht auf meine Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und verleihe ihr nach deinem Wohlgefallen Frieden und Einigkeit“. Auch sonst erhebt sich die Gemeinde das Jahr hindurch wiederholt zum gemeinsamen Gebet für die eine Herde unter dem einen Hirten. Wir beten in solcher Weise besonders innig, wenn wir uns des Schmerzes erinnern, unter dem sich die Männer und Frauen in den siebziger Jahren aus Gewissensnot in besonderen Gemeinden vereinigen mussten und wenn uns die Bemühungen für eine Verständigung unter den Konfessionen zum Bewusstsein kommen, die aus unseren Kreisen unternommen worden sind. Dankbarkeit gegen Gott, den Vater erfüllt uns, weil wir so gestehen dürfen, dass er diesen Bestrebungen seinen Segen angedeihen liess.

„Der Einheitsgedanke wurde von den internationalen Altkatholikenkongressen in weite Kreise getragen.“

Ein praktisches Ergebnis ist der Zusammenschluss der altkatholischen Kirchen der verschiedenen Länder durch die Utrechter Übereinkunft des Jahres 1889 mit dem gemeinsamen Organ der altkatholischen Bischofskonferenz. Seither wurde der Einheitsgedanke von den internationalen Altkatholikenkongressen in weite Kreise getragen. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden mehrere internationale Verbände und Hilfswerke, die schon allerlei Gutes geschaffen haben. Ein Einheit ist so stark geworden, dass „wenn ein Glied leidet, es alle mit leiden“ (1 Kor 12,26).

Als ein erfreuliches Ergebnis ist auch die Aussprache mit Vertretern verwandter Bekenntnisse über die kirchliche Verständigung zu erwähnen. Zwar wurde immer wieder bezweifelt, ob sie zu einem praktischen Ziele führe. Ein solches ist nun in diesen Tagen erreicht worden, indem unsere Kirche auf Grund amtlicher Verhandlungen in brüderliche und kirchliche Gemeinschaft, in Interkommunion mit der Kirche von England getreten ist.

I.

„In wesentlichen Dingen mit der anglo-amerikanischen Kirche auf dem geleichen christlichen und katholischen Boden zu stehen.“

Die Freundschaft mit der Kirche von England reicht weit zurück. Schon auf den altkatholischen Unionskonferenzen in Bonn in den Jahren 1874 und 1875, auf denen unter der Leitung Döllingers die Wiedervereinigung der Kirchen nach langer Zeit zum erstenmal wieder gründlich besprochen wurde, sprachen anglikanische Bischöfe die Überzeugung aus, dass ihrerseits keine Bedenken gegen eine Interkommunion mit den Altkatholiken beständen, und die Altkatholiken versicherten, dass sie die Gültigkeit der anglikanischen Bischofs- und Priesterweihe anerkennen. Diese Übereinstimmung fand freudigen Anklang. Die Lambethkonferenz der anglikanischen Bischöfe des Jahres 1878 hielt mir ihrer Sympathie für die katholische Reformbewegung nicht zurück. Davon nahm unsere Synode des Jahres 1879 in Solothurn Kenntnis und äusserte in einem Beschluss die Ansicht, „in wesentlichen Dingen mit der anglo-amerikanischen Kirche auf dem geleichen christlichen und katholischen Boden zu stehen.“ Ein freundschaftlicher Verkehr zwischen den Vertretern der beiden Kirchen war die Folge. Wiederholt weilten die Bischöfe Herzog und Reinkens als Gäste in England und im Jahre 1880 wurde Bischof Herzog zur Teilnahme an die Generalsynode der bischöflichen Kirche der Vereinigten Staaten eingeladen. Damals spendete Bischof Herzog in einigen deutschsprachigen Gemeinden dieser Kirche die hl. Firmung christkatholischem Ritus.

„Ein schönes Denkmal dieser kirchlichen Brüderlichkeit ist die Christuskirche in Luzern, zu deren Bau die angloamerikanische Kirche beigetragen hat.“

Die Lambethkonferenz des Jahres 1888 besprach die Massnahmen, um die freundschaftlichen Beziehungen „zu der altkatholischen Gemeinschaft in Deutschland und der christkatholischen Kirche der Schweiz zu fördern“. Der Bericht der vorberatenden Kommission dieser Konferenz hatte festgestellt: „Wir sehen keinen Grund, weshalb wir ihren Klerus und ihre gläubigen Laien nicht unter denselben Bedingungen wie unsere eigenen Kommunikanten zur hl. Kommunion zulassen sollten und wir anerkennen die Bereitwilligkeit, die sie gezeigt haben, Mitgliedern unserer eigenen Kirche geistliche Vergünstigung anzubieten.“ Ein schönes Denkmal dieser kirchlichen Brüderlichkeit ist die Christuskirche in Luzern, zu deren Bau die angloamerikanische Kirche beigetragen hat und in der sie bis zum heutigen Tag Gottesdienst feiert. Die „Einheit im Geiste“ bekundete sich aber stets am feierlichsten in der Abendmahlsgemeinschaft nach dem Worte des hl. Paulus: „Ein Brot denn, ein Leib, sind wir Viele, Alle die eines Brotes teilhaftig sind.“ (1 Kor 10,17)

„Die Interkommunion, die brüderliche kirchliche Gemeinschaft mit der Kirche von England, ist Tatsache geworden.“

Amtlich war die Abendmahlsgemeinschaft von den berufenen Behörden nicht beschlossen, sie galt auch nicht für den Gesamtkatholizismus, sondern sie hatte privaten und zufälligen Charakter. So ist es erklärlich, dass das Verhältnis zwischen den Kirchen mit der Zeit lockerer wurde, dazu führte der Tod alter Freunde, der Krieg und verschiedene andere Umstände. Eine Wendung trat erst wieder ein, als von der amerikanischen bischöflichen Kirche aus die kirchliche Wiedervereinigung auf weiterer Grundlage angestrebt, eine Weltkonferenz für Glauben und Verfassung angeregt und in Lausanne im Jahre 1927 durchgeführt wurde. Die alten Beziehungen wurden jetzt wiederaufgenommen, und von der Lambethkonferenz des Jahres 1930 ging die Anregung aus, sie in feste Formen zu fassen. Wie besassen jetzt in unserer Bischofskonferenz auch ein Organ, um einheitlich mit unsern anglikanischen Freunden verhandeln zu können. Vertreter beider Kirchen trafen sich im Juli letzten Jahres zu Beratungen in Bonn. Es bestanden noch allerlei Unklarheiten, trotzdem schon tüchtig vorgearbeitet war. Aber bald stellte es sich heraus: „Es sind der Geistesgaben viele, aber es ist derselbige Geist“ (1 Kor 12,4). Und die Überzeugung brach durch: „Denn in einem Leib sind wir Alle getauft … und wir Alle sind in einem Geist getränkt. Der Leib ist ja nicht ein Glied, sondern Viele.“ (1 Kor 12,13f.)

So kam eine Einigung zustande. Die altkatholische Bischofskonferenz stimmte ihr zu, ebenso haben die Synoden der Kirchenprovinzen Canterbury und York der Übereinkunft einmütig beigepflichtet. Die Interkommunion, die brüderliche kirchliche Gemeinschaft mit der Kirche von England, ist Tatsache geworden. Freudig dürfen wir mit dem hl. Paulus sagen: „Gott sei Dank! Ihm der uns immerdar siegen lässt in Jesu Christo.“ (2 Kor 2,14)

II.

„Trotz dem Bruch mit Rom im 16. Jahrhundert hat sie sich stets als Nachfolgerin der katholischen Kirche Englands betrachtet.“

Die Kirche von England ist über die ganze Erde verbreitet. Sie umfasst ausser der heimatlichen noch zwölf Gemeinschaften, einstige Tochterkirchen, die aber heute selbständig geworden sind. Die Gesamtzahl der Diözesen beträgt 309 mit ungefähr 390 Bischöfen. Alle diese Gemeinschaften sind durch denselben Glauben und durch dieselbe Liebe im Geiste miteinander verbunden, besitzen aber auch ein äusseres Bindeglied in der Konferenz sämtlicher Bischöfe, die alle zehn Jahre zur Beratung allgemeiner Angelegenheiten unter Leitung des Erzbischofs von Canterbury im Lambeth-Palast in London  zusammenkommt. Ein noch stärkeres Band der Gemeinschaft bildet das „Allgemeine Gebetsbuch“, das in allen Kirchen in Gebrauch ist und nach welchem überall die Gottesdienste und die hl. Sakramente nach demselben Ritus gefeiert werden.

Die Kirche hat katholischen Charakter. Trotz dem Bruch mit Rom im 16. Jahrhundert hat sie sich stets als Nachfolgerin der katholischen Kirche Englands betrachtet und den Zusammenhang mit der alten ungeteilten Kirche in allen wesentlichen Punkten in der Verfassung, im Gottesdienst und in der Lehre bewahrt.

Die Kirche ist nicht durch besondere neue Bekenntnisse gebunden. Wohl sind im 16. Jahrhundert als Abschluss der kirchlichen Auseinandersetzungen die 39 Artikel aufgestellt worden, sie haben aber heute nur noch geschichtliche und auch richtunggebende Bedeutung, verpflichten aber nicht im Gewissen. Die Kirche hat die Entwicklung der römisch-katholischen nicht miterlebt, die in den Beschlüssen des Konzils von Trient auf mittelalterlichen Anschauungen, die als katholische Glaubenslehren ausgegeben worden sind, festgelegt ist. Sie ist deshalb freier und hat sich offenen Sinn gegenüber Auffassungen, die das 16. Jahrhundert bewegt haben, bewahrt. So gibt es in ihr Richtungen, die stärker unter dem Einfluss dieser Anschauungen stehen, und solche, die mehr zum Katholizismus hinneigen. Diese Erscheinung wird vielfach als Zeichen der inneren Zersplitterung der Kirche gewertet, sie macht sie aber beweglicher und aufgeschlossener gegenüber andern Bekenntnissen, so dass sie für deren Eigenart mehr Verständnis zeigt und so zur berufenen Trägerin des kirchlichen Unionsgedankens geworden ist. So verschiedenartig dem Draussenstehenden die einzelnen Gruppierungen scheinen, für alle darf das Wort angewendet werden: „Alle sind Diener dessen, an den ihr gläubig geworden, und Jeder, je nachdem Gott ihm gegeben hat-.“ (1 Kor 3,5)

„Der Aufbau der Liturgie, die auf altenglische Riten zurückgeht, und der Inhalt der Gebete stehen im Einklang mit der alten Kirche.“

Als Quelle der Lehre gilt die hl. Schrift, die Kirche wird aber die ihr zukommenden Autorität eingeräumt, indem die Deutung der hl. Schrift über grundlegende Lehren nicht dem freien Ermessen des Einzelnen überlassen wird. Aus diesem Grunde bekennt sie sich zu den Glaubensbekenntnissen und den Entscheiden der allgemeinen Konzilien der alten ungeteilten Kirche. Sie steht also durch die Lehre mit der alten Kirche in Einheit. Ebenso ist sie durch die Liturgie mit der alten Kirche verbunden. Im Mittelpunkt ihres Gottesdienstes steht die Verkündigung des Evangeliums und die Feier des hl. Abendmahls, wie das seit der Apostel Zeiten üblich ist. Der Aufbau der Liturgie, die auf altenglische Riten zurückgeht, und der Inhalt der Gebete stehen im Einklang mit der alten Kirche. Als Sakramente gelten in erster Linie Taufe und Abendmahl, die Kirche kennt und über auch die übrigen hl. Handlungen, die wir als Sakramente bezeichnen.

Der Zusammenhang mit der alten Kirche wird insbesondere durch Festhalten an der bischöflichen Sukzession bekundet. Es werden nur Geistliche zum Amt zugelassen, die durch einen Bischof die Weihe empfangen haben. Die Kirche ist das geistliche Amt der alten Kirche eigen, das Amt der Bischöfe, Priester und Diakonen. Die Einzelkirchen haben synodale Verfassung, sie verwalten ihre innern Angelegenheiten selbständig.

So dürfen wir ohne weiteres der Ansicht der erwähnten Synode von Solothurn zustimmen, „im wesentlichen Dingen mit der angloamerikanischen Kirche auf dem gleichen christlichen und katholischen Boden zu stehen.“ Für die Kirche von England trifft zu, was von der ersten Gemeinde zu Jerusalem überliefert ist: „Sie beharrten in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft des Brotbrechens und in Gebeten.“ (Apg 2,42)

III.

„Jede glaubt, die andere halte alles Wesentliche des christlichen Glaubens fest.“

Das Übereinkommen über die Interkommunion hat folgenden Wortlaut:

„1. Jede Kirchengemeinschaft anerkennt die Katholizität und die Selbständigkeit der andern und hält ihre eigene aufrecht.

2. Jede Kirchengemeinschaft stimmt der Zulassung von Mitgliedern der andern zur Teilnahme an den Sakramenten zu.

3. Interkommunion verlangt von keiner Kirchengemeinschaft die Annahme aller Lehrmeinungen, sakramentaler Frömmigkeit oder liturgischer Praxis, die der andern eigentümlich ist, sondern schliesst in sich, dass jede glaubt, die andere halte alles Wesentliche des christlichen Glaubens fest.“

„Union nie Uniformität sein kann.“

Durch dieses Übereinkommen werden die Beteiligten auf kein neues Bekenntnis und keine Unionsformel verpflichtet, die irgendeine Neuerung oder Einschränkung für sie brächte. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass man auf solche Weise bestehenden Schwierigkeiten aus dem Wege gehen wollte. Dem Beschluss gingen eingehende Verhandlungen voraus, seit den Bonner Konferenzen unter Döllinger sind die einschlägigen Fragen auf beiden Seiten immer wieder erörtert worden. Die sorgfältigen Untersuchungen haben ergeben, dass Union nie Uniformität sein kann, weder Anschluss der einen Kirche an die andere, noch gar Unterwerfung der einen unter die andere in sich begreift, sondern dass ihre Voraussetzung einfach Übereinstimmung in den grundlegenden Wahrheiten und den grundsätzlichen Auffassungen des kirchlichen Lebens ist. Geschichtlich gewordenen und national begründeten Gebräuchen ist alle Freiheit zu gewähren, sofern sie mit dem Evangelium und dem Geist der alten Kirche nicht im Widerspruch stehen. Auch für die Kirchen gilt das Wort des Apostel Paulus: „Es sind der Geistesgaben verschiedene, aber es ist derselbige Geist.“ (1 Kor 11,4)

„Die Synode versteht die Annäherung so, dass die Selbständigkeit der Nationalkirchen und die Beibehaltung berechtigter Eigentümlichkeiten nicht beeinträchtig wird.“

Eine Auffassung, die im Beschluss der erwähnten Synode in Solothurn in die Worte gekleidet ist: „Die Synode versteht auch ihrerseits die Annäherung verschiedener Kirchen so, dass durch dieselbe die Selbständigkeit der Nationalkirchen und die Beibehaltung berechtigter Eigentümlichkeiten nicht beeinträchtig wird.“

Die Untersuchungen und Beratungen haben ergeben, dass die Voraussetzungen einer Verständigung auf dieser Grundlage vorhanden sind, und die Lambethkonferenz hat entschieden, dass in der altkatholischen Utrechter Erklärung nichts steht, was den Anschauungen der Kirche von England widerspricht. So stand dem Abschluss der Interkommunion nichts mehr im Wege. Beide Kirchengemeinschaften behalten ihre Selbständigkeit, ihre Besonderheiten und ihre Eigenarten, wir ihre eigene Mission im kirchlichen Leben der Christenheit. Einheit schliesst Mannigfaltigkeit nicht aus, gerade sie wird anregend und belebend auf das kirchliche Leben wirken.

„Einheit schliesst Mannigfaltigkeit nicht aus.“

Im kirchlichen Leben vollzieht sich die Interkommunion in der gegenseitigen Zulassung der Inhaber der geistlichen Ämter zu priesterlichen Handlungen unter Beobachtung der notwendigen Ordnung und der Gläubigen unter derselben Bedingung zum Empfang der hl. Sakramente. Den Höhepunkt dieser brüderlichen Verbindung bildet die Abendmahlsgemeinschaft, denn das hl. Abendmahl ist Sinnbild und Unterpfand der Gemeinschaft mit Christus und durch Christus der Gemeinschaft mit den Brüdern.

Welches sind nun die praktischen Folgen der Interkommunion? Ohne Zweifel werden fortan mehr als bisher Angehörige der anglikanischen Kirche, die unser Land besuchen, an unserm Gottesdienst erscheinen, nicht mehr bloss als Gäste, sondern als Glaubensgenossen und Brüder. In der Kirche von England herrscht immer noch die schöne alte christliche Sitte, dass bei jeder Feier der hl. Eucharistie den Gläubigen Gelegenheit zum Empfang der hl. Kommunion gegeben wird. Den Zutritt zum Tisch des Herrn wird man unsern anglikanischen Brüdern, wenn sie den Gottesdienst beiwohnen und vorher den amtierenden Geistlichen von ihrem Wunsch unterrichtet haben, ohne weiteres ermöglichen. Es ist nur zu wünschen, dass in solchem Fall Angehörige unserer Kirche sich jeweilen anschliessen. Um unsern Brüdern unsere Messliturgie zugänglich zu machen, ist eine englische Übersetzung vorgesehen.

Mit der Zeit dürfte sich ein brüderlicher Verkehr mit den über unser Land zerstreuten anglikanischen Gemeinen anbahnen. In ungefähr zwanzig Ortschaften unseres Landes wird das ganze Jahr hindurch regelmässig anglikanischer Gottesdienst gefeiert, in der Zeit des Fremdenverkehrs ist diese Zahl noch grösser. Die anglikanischen Kaplaneien der deutschen und welschen Schweiz stehen unter der Jurisdiktion des Bischofs von London, der sie durch den Bischof von Fulham ausüben lässt, und die beiden Gemeinden im Tessin unterstehen dem Bischof von Gibraltar. An einigen Orten hält auch die amerikanische Kirche Gottesdienst. Die Namen der Ortschaften und Kirchen sollen zu gegebener Zeit bekannt gemacht werden, so dass unsern Glaubensgenossen der Besuch des anglikanischen Gottesdienstes möglich wird. Das anglikanische Gebetbuch ist in deutscher Übersetzung durch Vermittlung unserer Geistlichen erhältlich, ebenso die Ausgabe in englischer Sprache.

Der universale Charakter der Kirche von England kommt denjenigen Christkatholiken sehr zustatten, die im englischen Sprachgebiet wohnen und nun dort leicht kirchlichen Anschluss erhalten. Das wird auch in den Städten anderer Länder der Fall sein, wo anglikanische Kirchen sich befinden. Die Sorge für diese weltweite Diaspora sei den zuständigen Stellen angelegentlich empfohlen.

Der Willibrordbund – eine Vereinigung von Anglikanern und Altkatholiken –, die den gegenseitigen Verkehr pflegt, wird sich mit allerlei praktischen Arbeiten, die mit der Interkommunion zusammenhängen, zu befassen haben. Ebenso werden die kirchlichen Behörden, wenn notwendig, geeignete Massnahmen ergreifen. Über das Nähere sollen die Gemeinden unterrichtet werden.

Der Interkommunion wurde auf den Synoden der anglikanischen Kirchenprovinzen von Canterbury und York mit Begeisterung zugestimmt, sie wurde als ein wichtiges geschichtliches Ereignis bezeichnet, weil die Kirche von England aus ihrer nationalen Isoliertheit heraustrete und mit einer Kirche sich verbinde, deren Gläubige andern Volksstämmen angehören, und die sich nicht durch numerische Stärke wohl aber durch wichtige kirchliche Überlieferung auszeichne. Insbesondere wurde auch die Überzeugung ausgesprochen, dass das Übereinkommen für die Entwicklung des kirchlichen Unionswerkes überhaupt von grundsätzlicher Bedeutung werde.

„Unsere religiöse und kirchliche Stellung hat wohltuende Anerkennung gefunden.“

Noch mehr Grund zur Freude haben wir Christkatholiken. Die Arbeit zur Vereinigung der christlichen Kirchen ist mit einem prächtigen Erfolg gekrönt und unsere religiöse und kirchliche Stellung hat wohltuende Anerkennung gefunden. Als einst viel geschmähte Notkirche, die in Zeiten entscheidender Gewissenskämpfe entstanden ist und die schwierige Jahre durchkostet hat, steht sie jetzt anerkannt und geachtet unter grossen starken Schwestern. Nicht eitlen Stolz verfallen wir darob, sondern das wird Gemeinden und Gläubigen Ansporn sein, sich ihres hohen Berufes würdig zu erweisen. „Wandelt würdig des Berufes, wozu ihr berufen seid.“ (Eph 1,4)

„Möge die religiöse und kirchliche Idee des Altkatholizismus von uns noch umfassender erarbeitet und noch energischer und umsichtiger in einem gefunden kirchlichen Gemeindeleben und in ernster persönlicher Lebensauffassung dargestellt werden.“

Steigerung des Gefühls der Verantwortung und der Pflichterfüllung gegenüber Kirche und Gottesreich sei die Folge. Möge die religiöse und kirchliche Idee des Altkatholizismus von uns noch umfassender erarbeitet und noch energischer und umsichtiger in einem gefunden kirchlichen Gemeindeleben und in ernster persönlicher Lebensauffassung dargestellt werden. Die führenden Persönlichkeiten wie die Gläubigen mögen ihr Bestes geben, um Zeugnis abzulegen vom Glauben an Jesus Christus und an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.

Das geschehe in aller Demut im Anschluss an das Wort des Apostels Paulus, dass „in Demut einer den Andern überhebe über sich selbst, nicht sehe Jeder auf das, was sein ist, sondern Jeder auf das, was des Andern ist.“ (Phil 2,3f.) Wenn wir das befolgen, werden wir von unsern Brüdern manche Anregung empfangen. Sie besitzen eine reiche religiöse und kirchliche Erfahrung und betätigen tiefe Frömmigkeit, sittlichen Ernst, aktive Bruderliebe und nachahmungswerten sozialen Sinn.

Bestreben wir uns, des hohen Berufes würdig zu wandeln, „sind wir, um mit dem Apostel zu reden, der Zuversicht, dass der, welcher das gute Werk angefangen hat, es vollenden werde bis auf den Tag Christi.“ (Phil 1,6)

Nach dem Entscheid erhob sich die Synode von Canterbury zum Gebet für die Einheit der Kirche und zum Lobpreis Gottes. Auch wir wollen in solchem Sinne unsere Herzen zu Gott erheben. Beten wir fortan für die „Wohlfahrt und Eintracht der christlichen Kirchen“, wollen wir vorzüglich auch unserer Brüder gedenken, die beflissen sind, „Einigkeit des Geistes zu halten durch das Band des Friedens.“ (Eph 4,3)

Wir geben aber auch Gott die Ehre für seine Gnade, die er über dem Einigungswerk walten lässt: „Ihm, der überschwenglich Alles tun kann, mehr als wir bitten und denken, nach der in uns wirkenden Macht, ihm sei die Ehre in der Kirche und in Jesu Christo bei allen Geschlechtern in Ewigkeit der Ewigkeiten!“ (Eph 3,20f.)

Amen.

Bern, Quinquagesima 1932.

Dr. Adolf Küry katholischer Bischof.