«Jede Segnung, die die Kirche einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe zwischen zwei Erwachsenen gleich welchen Geschlechts spendet, ist in gleicher Weise sakramental.» Diese Aussage haben Bischof und Synodalrat der 154. Session der Nationalsynode der Christkatholischen Kirche der Schweiz vom 10./11. Juni in Thun zur Stellungnahme vorgelegt. Unter Namensaufruf hat die grosse Mehrheit der Synodalen, bei zwei Nein, der Aussage zugestimmt.
Ein Kommentar von Adrian Suter
Die Nationalsynode hat formell etwa 120 Mitglieder, davon waren 85 anwesend. Das «Verfahren zur Stellungnahme in Glaubensfragen», das zur Anwendung kam, gibt den Stimmberechtigten die Möglichkeit, neben Ja und Nein auch eine eigene Formulierung zu Protokoll zu geben, welche die eigene Überzeugung besser trifft als die vorgeschlagene. Ein gutes Dutzend der Synodalen hat davon Gebrauch gemacht. Meist ging es dabei um ein Ja, das mit ergänzenden Aspekten verbunden war. Das Verfahren sieht nächstes Jahr eine eine zweite Lesung vor. Dazwischen wird die Internationale Bischofskonferenz eingeladen, Stellung zu nehmen. Um 2022 nach der zweiten Lesung die sakramentale «Ehe für alle» unverzüglich einführen zu können, hat die Nationalsynode bereits jetzt die Liturgische Kommission beauftragt, einen Modell-Ritus zu erarbeiten.
Ein Ritus zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ist in der christkatholischen Kirche bereits seit 2006 zur Erprobung freigegeben. Da sich dieser Ritus deutlich vom Ehesakrament unterscheidet, wurde er in den letzten Jahren zunehmend als unbefriedigend empfunden. Genauso wie in der Gesellschaft die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden soll, weil die «eingetragene Partnerschaft» als ungenügend empfunden wird, so erscheint heute die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare mit einem «Sonderritus» nicht mehr zeitgemäss. Zur zivilrechtlichen Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare hatte sich die Nationalsynode schon 2019 an ihrer Session in Lancy/GE positiv geäussert.
Eine Sondersession der Nationalsynode hatte sich am 22. August 2020 ausschliesslich mit der «Ehe für alle» beschäftigt und sich in einer Konsultativabstimmung für ein Modell ausgesprochen, das die Öffnung des Ehesakraments für gleichgeschlechtliche Paare theologisch begründete. Der Bischof hatte sich in seinem Hirtenbrief und bei anderen Gelegenheiten zum Thema geäussert, die Pastoralkonferenz eine Stellungnahme erarbeitet, die Fachstelle Bildung Workshops angeboten, verschiedene Kirchenglieder haben sich in Leserbriefen in der kirchlichen Presse geäussert. Auf dieser Basis haben Bischof und Synodalrat ihre Anträge vor die Nationalsynode gebracht.
Die Auseinandersetzung um die Ehe für alle ist in mancherlei Hinsicht ein Lehrstück dafür, wie die christkatholische Kirche sich selbst versteht: